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The Age of Asia: China India Dialogue
“Women and Local Governance in China and India”

Am 17. August 2022 organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) als Teil der „The Age of Asia“-Reihe online den bereit sechsten China-India-Dialogue. Dieses Mal ging es darum, wie China und Indien versuchen, die Rolle von Frauen in der lokalen Regierungsführung zu stärken. Frau Chhavi Rajawat (ehemalige Vorsitzende des Dorfkomitees von Soda) gab dafür Einblicke in die Maßnahmen in Indien, während Du Jie (Leiterin des Instituts für Frauenstudien beim Allchinesischen Frauenverband) die Bemühungen in China schilderte. Im Ergebnis wurde klar, dass beide Länder in den letzten Jahren zwar beträchtliche Fortschritte erzielen konnten, es jedoch noch weiterer Bemühungen bedarf, um in der lokalen Regierung mehr Positionen mit Frauen zu besetzen.

Zusammen mit dem HSS-Büro in Neu-Delhi, Indien, und der Stiftungszentrale in München organisiert die Pekinger HSS-Vertretung wie bereits im letzten Jahr auch in diesem Jahr wieder die mehrteilige englisch-sprachige Diskussionsreihe „Talking Asia Politics: The Age of Asia - China & India Dialogue”. In diesem Rahmen wurden am 17. August 2022 Frau Du Jie (Leiterin des Instituts für Frauenstudien beim Allchinesischen Frauenverband) und Frau Chhavi Rajawat (ehemalige Vorstand des Dorfrates von Soda) eingeladen, um unter der Leitung von Moderatorin Julia Berghofer (Policy Fellow, European Leadership Network) gemeinsam über das Thema „Women in Local Government“ (Frauen in der Lokalregierung) zu diskutieren.

China: Trotz vieler Erfolge weiterhin Hindernisse auf dem Weg zur Gleichstellung

In ihrem Eingangsvortrag beschrieb Frau Du zunächst die Ausgangslage in China und ging dann auf die Maßnahmen ein, mit denen die Beteiligung von Frauen an lokalen Regierungen gestärkt werden soll. Anschließend ging sie auf die Ergebnisse der Maßnahmen sowie weiterhin bestehende Probleme ein.

In China gibt es mit Stand 2020 503.000 Dorfkomitees und 112.000 städtischen Einwohnerkomitees (urban residents` committees). Frauen sind hierbei auf unterschiedliche Weise beteiligt: von eher passiven Rollen als Wählerinnen oder Repräsentantinnen in Beratungen und Diskussionen bis hin zu Verwaltungsmitarbeiterinnen oder Entscheidungsträgerinnen. Um ihre Teilnahme noch stärker zu garantieren, wurden in den letzten Jahrzehnten mehrere Gesetze verabschiedet, zum Beispiel das „Organic Law of the Villagers 'Committees of the People's Republic of China“ (2010), das vorschreibt, dass es in jedem Dorfkomitee auch Frauen geben muss, oder „The Election Regulations for the Villagers 'Committee of the People's Republic of China“ (2013). Letzteres verpflichtet die Komitees dazu, sicherzustellen, dass an den Wahlen Frauen und Männer in einem ausgeglichenen Verhältnis teilnehmen. Zuletzt wurde der „National Human Rights Action Plan“ (2021-2025) verabschiedet, der ebenfalls eine stetig steigende Beteiligung von Frauen Dorf- und Nachbarschaftskomitees vorsieht.

Diese Schritte haben Wirkung gezeigt: Im Vergleich zum Jahr 2000 war die Beteiligung von Frauen in Dorfkomitees 2020 um 8,5 Prozent höher (insg. 24,2 Prozent). In städtischen Einwohnerkomitees waren es sogar 52,1 Prozent im Vergleich zu 39 Prozent. Auch andere wichtige Indikatoren wie die Wahlbeteiligung stiegen deutlich an.

Allerdings kann wahrer Erfolg nicht nur an Zahlen festgemacht werden, stattdessen gilt es laut Frau Du auch darum, die immer noch existierende sozio-ökonomische und kulturelle Diskriminierung von Frauen in Führungsrollen zu beenden. Der COVID-19-Ausbruch hat die Rolle von Nachbarschaftskomitees und anderen Grassroot-Organisationen noch wichtiger gemacht. Hier sind es vor allem Frauen, die sich stark engagieren und dabei helfen, die Gesundheits- und Hygienevorschriften umzusetzen.

Einige Faktoren bilden jedoch weiterhin Hindernisse, um eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu erreichen. Hier ist vor allem zu erwähnen, dass Frauen noch immer einen größeren Teil der Erziehungs- und Pflegearbeit innerhalb von Familien verrichten. Auch ist sind Vorurteile gegen angebliche „schwache“ Frauen in der chinesischen Gesellschaft noch nicht restlos beseitigt.

Indien: Viele Frauen in Führungspositionen trotz patriarchalischem System

Frau Rajawat machte anfangs klar, dass Frauen auch in Indien weiterhin den Großteil der Familienarbeit (Erziehung, Pflege etc.) leisten. Generell befindet sie aber, dass Indien gute Arbeit geleistet hat, um Frauen in Regierungspositionen zu bringen: neben dem prominentesten Beispiel Indira Priyadarshini Gandhi (Premierministerin 1966-1977 und 1980-1984) gibt es noch etliche weitere Frauen, die hohe Positionen besetzt haben. Als ein weiteres Beispiel ging sie anschließend auf ihre eigene Geschichte ein. 2010 ging sie als „Sarpanch“ (Leiterin des Dorfkomitees) in ihr Heimatdorf zurück, nachdem sie lange erfolgreich in der Privatwirtschaft gearbeitet hatte und kurz davor war, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Wichtig für ihre Wahl waren die 73. Und 74. Nachträge zur Verfassung (1994), die vorschrieben, dass 33 Prozent der Posten in Lokalregierungen mit Frauen besetzt werden müssen. Mit ihrer Entscheidung wollte sie auch ein Zeichen dafür setzen, dass man eine Position in der Lokalregierung selbst attraktiven, gutbezahlten Positionen in der Wirtschaft vorziehen kann, um so noch mehr gut ausgebildete Inderinnen dazu zu motivieren. Trotzdem gilt es auch für die weiblichen Dorfvorsteherinnen sich in einem weitgehend patriarchalischen System zurechtzufinden. Denn, wie sie selbst beschrieb, waren es im Endeffekt Männer, die sie ins Amt gewählt hatten und diese erwarteten nun, dass Rajawat zu ihren Gunsten und unter ihren Anleitungen agieren würde. Diesen Erwartungen widersprach Rajawat aber und machte deutlich, dass sie als Dorfvorsteherin gewählt wurde und als solche die Entscheidungen treffen würde. Mit ihrem Engagement in der praktischen Arbeit wollte sie auch ein hautnahes Vorbild für die Mädchen in ihrem Dorf sein und ihnen zeigen, dass auch Frauen erfolgreiche politische Laufbahnen einschlagen können. Sie empfiehlt anderen Frauen, stets nach dem Motto „Lass deine Arbeit für dich sprechen“ zu handeln, um auf diese Weise den Respekt der anderen – insbesondere der Männer – zu gewinnen.

In der anschließenden Diskussion gingen die Expertinnen auf Grundlage von Fragen der Zuhörer noch etwas detaillierter auf einige Aspekte ein. Frau Du zum Beispiel erklärte, wie Männer noch aktiver dabei helfen können, die Rolle von Frauen zu in der Regierung zu stärken. Dafür seien auch umfassende Konzepte wie “HeForShe“ der 2010 von der UN gegründeten UN Women hilfreich, da auf diese Weise Männern noch besser bewusst gemacht wird, wie wichtig es für die Gesellschaft ist, dass Männer und Frauen eine gleichberechtigte Partnerschaft in der Regierungsführung bilden. Rajawat machte deutlich, dass es dafür unerlässlich sei, dass Männer und Frauen noch proaktiver und offener in einen Dialog treten. So lasse sich mehr Bewusstsein für die noch bestehenden Ungleichheiten schaffen.

 

Autor: Ole Engelhardt