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Stipendiaten berichten: Gao Changjian

Während seines dreimonatigen Forschungsaufenthaltes in Deutschland Ende 2011 beschäftigte sich Dr. Gao Changjian, Rechtswissenschaftler der Zentralen Parteihochschule in Peking, mit den theoretischen und praktischen Unterschieden im Strafrecht und Strafprozessrecht in China und Deutschland.

Dr. Gao Changjian und Prof. Dr. Schünemann

Dr. Gao Changjian und Prof. Dr. Schünemann

Zu meinem Forschungsaufenthalt in Deutschland

Von Oktober bis Dezember 2011 konnte ich dank eines Stipendiums der Hanns-Seidel-Stiftung, vergeben im Rahmen des Kooperationsprogramms mit der Hochschule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt an der juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München absolvieren. Dies gab mir die Gelegenheit zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem deutschen Strafrechtssystem und der zugrundeliegenden Strafrechtstheorie, wodurch ich einen tieferen Einblick in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des deutschen und des chinesischen Strafrechts gewinnen konnte.

Mein Aufenthalt in Deutschland fiel in eben den Zeitraum, als in Chinas akademischen Kreisen die Debatte um die Frage, ob unterlassene Hilfeleistung in Zukunft unter Strafe gestellt werden soll, ihren Höhepunkt erreichte. Am Institut für die gesamten Strafrechtswissenschaften, Rechtsphilosophie und Rechtsinformatik der LMU konnte ich mit Prof. Dr. Schünemann und anderen Wissenschaftlern diese Problemstellung erörtern und darüber hinaus sowohl Materialien zur Gesetzeslage als auch statistische Daten zum Umgang mit unterlassener Hilfeleistung in Deutschland untersuchen. Dies ermöglichte mir ein besseres Verständnis der Fragestellung, inwiefern ein solcher Akt als Straftatbestand definiert werden sollte. Ich habe daraufhin in der Study Times einen Beitrag mit dem Titel „Sollte unterlassene Hilfeleistung unter Strafe gestellt werden?“veröffentlicht, der recht großen Widerhall fand.

In akademischer Hinsicht liegt für mich der größte Gewinn des Forschungsaufenthalts darin, dass er mein Bewusstsein hinsichtlich der konzeptuellen Unterschiede im chinesischen und deutschen Strafrecht bei der Definition einer Straftat geschärft hat. So habe ich mich eingehend mit der Problematik befasst, dass die quantitativen Kriterien, die nach dem chinesischen Strafrecht bei der Definition einer Straftat angelegt werden, in Konflikt treten können mit dem Bestimmtheitsgebot, dem das Strafrecht unterliegt. Auf Basis der in Deutschland angeregten Überlegungen habe ich im Juli im Verlag der China University of Political Science and Law die Monographie „Über Systeme der Bestrafung leichter Vergehen“ veröffentlicht, in der ich mich systematisch und ausführlich mit dem Thema auseinandersetze.

Außer den Anregungen im akademischen Bereich hat vor allem die Effizienz im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Die Deutschen haben eine hohe Achtung vor Gesetzen und Regelungen. Das öffentliche Verkehrswesen ist wohl geordnet, auch das Verhalten im Straßenverkehr ist insgesamt sehr gut und praktisch niemand fährt bei rot über die Ampel. Bei BMW habe ich mir den Ausstellungsraum mit den Marktneuheiten angeschaut und dort ist mir zum ersten Mal die hohe Kunstfertigkeit aufgefallen, die in den Fahrzeugen steckt. Dass ein Industrieprodukt auf einem so hohen Niveau gefertigt werden kann, fand ich bemerkenswert.

Dr. Gao Changjian