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Leadership in Education Programme International 2015 in Shanghai

Bildungsexperten aus drei Kontinenten diskutierten die Auswirkungen der zunehmenden Unsicherheit auf die Bildungslandschaft an der Pädagogischen Universität Shanghai.

Präsentation der Keynote Speech durch Prof. Tan Oon Seng

Vom 4. bis zum 7. Juni 2015 fand an der Pädagogischen Universität Shanghai (Shanghai Normal University) die 9. Internationale Bildungskonferenz unter der Leitung der Hanns-Seidel-Stiftung statt. 35 Experten, darunter Wissenschaftler, leitende Ministerialbeamte und Schulleiter aus neun Ländern waren vertreten. Der Titel der diesjährigen Veranstaltung, „Bildung in unsicheren Zeiten“, fand reges Interesse auch weit über den Teilnehmerkreis hinaus.

Professor Tan Oon Seng, Direktor des Nationalinstituts für Bildung Singapur (National Institute of Education, NIE), betonte in seiner Keynote-Rede die Notwendigkeit effektiver Bildungssysteme, Schüler und Studenten auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten. Hierbei ergeben sich vielfältige Probleme, denn das Bildungssystem soll heute Antworten auf Fragen finden, die erst morgen gestellt werden. Tan Oon Seng bezog sich auf die Problemdefinition des früheren amerikanischen Bildungsministers Richard Riley, der die Anforderungen, die an ein modernes Bildungssystem gestellt werden, wie folgt zusammenfasste: Bildung soll Studenten ermöglichen, sich auf Arbeitssituationen und Technologien vorzubereiten, die bisher weder existieren noch erfunden sind und Probleme lösen, die noch nicht einmal bekannt sind. Der von Tan Oon Seng postulierte Ansatz zur Lösung des Problems erfordert eine Bildung, die die Lernenden nicht nur auf die Zukunft vorbereiten soll, sondern sie auch so erzieht und bildet, dass sie auch bereit sind, eine lebenswerte Zukunft selbst zu gestalten.

Nationalinstitut für Bildung Singapur: Das Nationalinstitut für Bildung Singapur (NIE) wurde 1950 als pädagogisches College gegründet und schloss sich mit weiteren Instituten 1991 unter dem Dach der Technischen Universität Nanyang zum NIE zusammen. Als eines der führenden Bildungs- und Forschungseinrichtungen für Lehrerbildung und Führungskräfteentwicklung weltweit entwickelt es unter anderem Angebote für Schulleiter und Regierungsbeamte und setzt sie in einem internationalen Kontext um. 2007 wurde unter dem Vorsitz des NIE die internationale Allianz der führenden Bildungsinstitute gegründet, um forschungsbasiert frühzeitig wesentliche pädagogische Trends zu erkennen.

Kalligraphie-Unterricht an der Jing’An Primary School No.1

Werteerziehung in Zeiten der Informatisierung

Im Zusammenhang mit der Gestaltung der Zukunft durch Bildungssysteme ging Professor Jiang Feng, Parteisekretär der Universität für Internationale Studien Shanghai (Shanghai International Studies University), auf die Werteerziehung innerhalb einer unsicheren Zukunft ein.

Er zeigte die Unterschiede zwischen der westlichen und den östlichen Kulturen auf, um letztendlich den zentralen Kern herauszuarbeiten: seiner Ansicht nach soll durch Bildung das kreative kritische Denken zum Wohle der Gemeinschaft gefördert werden. Dabei spielen die Zugänge, wie beispielsweise Religionen, keine wesentliche Rolle. Wichtiger ist die ethische Erziehung der Jugend in einem fördernden, nicht überpädagogisierten Umfeld, die Kinder und Jugendliche, trotz der permanenten destruktiven Präsenz beispielsweise von Kriegen, Umweltkatastrophen und Terror in den Medien, dazu anregt, sich für eine positiv besetzte Weltgemeinschaft zu engagieren.

Professor Michael Szurawitzki von der Tongji Universität Shanghai zeigte durch seine neuesten Forschungsergebnisse zu den sozialen Medien mit dem Schwerpunkt des Mikroblogs interessante Veränderungen in den Kommunikationswegen einer modernen Gesellschaft auf. Gerade für die Generation der unter 30-jährigen konnte Michael Szurawitzki starke Effekte einer veränderten Kommunikationskultur feststellen. Diese Veränderungen sind bei der Entwicklung pädagogischer Konzepte und Curricula zu berücksichtigen, damit die von Richard Riley gestellten Anforderungen zumindest im Ansatz erfüllt werden können. 

Krönender Abschluss der Konferenz: Die Unterzeichnung einer Kooperation zwischen den Schulen zweier Teilnehmer

Shanghais Best Practice Modelle

Abgerundet wurde das Konferenzprogramm durch zwei Best Practice Beispiele aus dem Berufs- und Grundschulbereich: Das Technische Institut für Elektronik und Informationstechnologie Shanghai (Shanghai Technical Institute of Electronics and Information, STIEI) mit seinem Berufscollege und seinen vier Sekundär-Akademien blickt auf eine über 50-jährige Berufsbildungsgeschichte zurück, die seit 30 Jahren von der Hanns-Seidel-Stiftung begleitet wird. In den Kooperationsprojekten mit der Stiftung, beispielsweise dem Berufsbildungszentrum oder der Chinesisch-Deutschen Berufshochschule, werden junge Fachkräfte für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in einer innovativen  Lernumgebung ausgebildet.

Der Praxisbezug und die Anschlussfähigkeit sind Merkmale einer modernen Berufsausbildung des STIEI, die nicht allein dem Prinzip der beruflichen Tüchtigkeit verpflichtet ist, sondern auch auf das verantwortungsvolle Leben vorbereiten soll. In der Berufsbildung werden neben den beruflichen Kompetenzen im Wesentlichen auch elementare Tugenden entwickelt: Fleiß, Beharrlichkeit, Selbstüberwindung und die Hingabe an ein tätiges Leben sind in Kombination mit den Kompetenzen notwendige Attribute auf dem Weg zu einer höheren Bildung durch den Beruf. Die berufliche Bildung ist somit die Grundlage zur individuellen Bewältigung der Herausforderungen, die durch den stetigen gesellschaftlichen und technologischen Wandel entstehen.

Die Erste Grundschule JingʼAn (JingʼAn No.One Primary School) kann auf eine über hundertjährige Geschichte zurückblicken. Sie findet ihren Ursprung in den Ideen des ehemaligen Rektors der Peking Universität und späteren Bildungsministers der Republik China, Professor Cai Yuanpei, dem Gründungsvater der modernen chinesischen Pädagogik. Der Besuch der Schule in Shanghai zeichnet sich durch moderne und innovative pädagogische Konzepte aus. Die Grundschüler werden im Rahmen der Moralerziehung in den fünf Lebensstilen Tugend, Gesundheit, Weisheit, Kollektiv und Schönheit gefördert und in ihrer Kreativität angeregt, damit sie auch in Zeiten der Unsicherheit die Zukunft mitgestalten können. 

Autor: Dr. Bernd Seuling