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Rechtswissenschaftlicher Austausch an Pekinger Hochschulen
Kommunale Selbstverwaltung als Garant für Effizienz und Bürgernähe

Die kommunale Selbstverwaltung ist tragender Bestandteil einer effektiven und demokratischen Regierungsführung in Deutschland. Sie dient dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben und fördert die Eigenverantwortung der Bürger für die Gestaltung des öffentlichen Lebens.

Harbich referierte vor Studierenden der China Universität für Politik- und Rechtswissenschaften

HSS Peking

Am 4. Juli 2017 war Dr. Dr. h. c. Jürgen Harbich, Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule a.D., auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung zu Gast an der China Universität für Politik- und Rechtswissenschaften. Ein Vortrag mit anschließender Diskussion bot Gelegenheit zum Austausch mit den Studierenden. Im Anschluss besuchte Harbich die Hochschule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (Zentrale Parteihochschule), um das Thema in einem wissenschaftlichen Fachgespräch weiter zu vertiefen.

Abgabe von Machtbefugnissen auf die lokale Ebene

Der Begriff der „Kommune“ ist eine Sammelbezeichnung für alle räumlichen Verwaltungseinheiten auf lokaler Ebene. So gliedert sich der Freistaat Bayern in 7 Bezirke, 71 Landkreise und 2.056 Gemeinden. Die Bezirke sind die flächenmäßig größten Kommunen, auf deren Gebiet sich alle anderen Kommunen befinden. Die Gemeinden - darunter beispielsweise Städte und Märkte - bilden zwar die geografisch kleinste Verwaltungseinheit, sind den größeren Kommunen jedoch hierarchisch nicht unterstellt.

Wichtige Grundlage der kommunalen Selbstverwaltung in Bayern sind die Prinzipien der Dezentralisation und der Subsidiarität. Während in einem zentralistischen Staat die höchste Regierungsebene alle politischen Entscheidungen direkt beeinflussen kann, haben in einem dezentralen System die unteren Einheiten die Möglichkeit zu einer eigenen, von der Zentrale unabhängigen Willensbildung. So bedeutet eine echte kommunale Selbstverwaltung also auch, dass die höchste Regierungsebene zugunsten einer effektiveren Regierungsführung einen Teil ihrer Macht nach unten abgibt.

Die Regelung vieler kommunaler Aufgaben können übergeordnete Regierungen nur aus der Ferne verfolgen

HSS Peking

Das Prinzip der Subsidiarität besagt, dass alle Regierungsaufgaben soweit möglich von der niedrigsten Ebene wahrgenommen werden sollen. Erst wenn eine Aufgabe die Fähigkeiten einer bestimmten Regierungsebene übersteigt, soll die nächsthöhere Ebene zuständig sein. So soll größtmögliche Effektivität und Bürgernähe gewährleistet werden.

Zu den Pflichtaufgaben einer jeden Gemeinde gehören grundlegende Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge wie beispielsweise die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung sowie der Bau und die Unterhaltung der örtlichen Straßen. Erst wenn diese Pflichten erfüllt sind, kann die Gemeinde zusätzlich freiwillige Aufgaben wie die Errichtung kultureller Einrichtungen wie Theater, Museen oder Büchereien wahrnehmen. In die Erfüllung dieser Aufgaben, die im sogenannten „eigenen Wirkungskreis“ der Gemeinde liegen, kann der Staat nur eingreifen, wenn gesetzwidriges Handeln vorliegt.

Bei Aufgaben im „übertragenen Wirkungskreis“ hingegen, also Aufgaben, die eigentlich im staatlichen Kompetenzbereich liegen, die dieser jedoch meist aus ökonomischen Gründen an die Gemeinden überträgt, kann der Staat auch in die Zweckmäßigkeit der Aufgabenerledigung eingreifen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Stimmabgabe im Rahmen der Bundestagswahlen, die zwar nach bundesweit einheitlichen Kriterien, jedoch auf lokaler Ebene von den jeweiligen Gemeinden durchgeführt wird.

Die lokale Selbstverwaltung macht Bayerns Kommunen stark

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Staatliche Aufsicht über die Gemeinden

Im Rahmen der rechtlichen Aufsicht prüfen die staatlichen Aufsichtsbehörden kommunales Verwaltungshandeln auf Gesetzeskonformität. Bei Aufgaben im eigenen Wirkungskreis der Kommunen ist dies die einzige Einschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts.

Tatsächlich müssen kommunale Entscheidungen in der Praxis nur sehr selten aus rechtlichen Gründen aufgehoben werden. Harbich, der selbst mehrere Jahre in der Kommunalaufsicht tätig war, beschrieb das Verhältnis zwischen Aufsichtsbehörden und Kommunen als sehr kollegial. Potentielle Probleme werden häufig schon in regelmäßigen Arbeitstreffen gemeinsam diskutiert und einvernehmlich gelöst. So kam es in Harbichs siebenjähriger Tätigkeit in einem Zuständigkeitsbereich von über 20 Gemeinden nur in zwei Fällen zu einer zwangsweisen Aufhebung eines gemeindlichen Beschlusses.

Gleichzeitig steht die staatliche Rechtsaufsicht ihrerseits unter der Kontrolle unabhängiger Gerichte, denn die Gemeinden können deren Entscheidungen beim Verwaltungsgericht als rechtswidrigen Eingriff in ihr Selbstverwaltungsrecht anfechten.

Außerdem muss die deutsche Kommunalverwaltung parteipolitisch neutral sein. So ist die Gemeinde nicht nur dem Bürger gegenüber verpflichtet, ihn unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit fair zu behandeln, sondern auch bei der Einstellung oder Beförderung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes darf die parteipolitische Ausrichtung keinerlei Rolle spielen.

Während seines Aufenthalts tauschte sich Harbich auch mit Wissenschaftlern der Zentralen Parteihochschule aus

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Kommunale Selbstverwaltung als Keimzelle der Demokratie

Bezüglich der Unabhängigkeit örtlicher Parteiorganisationen von ihren jeweiligen Zentralen betonte Harbich, dass beispielsweise die Aufstellung der Bürgermeisterkandidaten ausschließlich in der Entscheidungskompetenz der örtlichen Parteigremien liegt. Auch öffentliche Kritik von Bürgermeistern gegenüber der eigenen Parteiführung ist in Bayern keine Besonderheit.

Schon die bayerische Verfassung hebt hervor, dass die kommunale Selbstverwaltung „dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben“ dient. Durch aktive Partizipation sollen die Bürger zu Beteiligten des Entscheidungsprozesses werden, indem sie lernen, ihren eigenen Willen zu bilden, eigene Positionen zu vertreten und gleichzeitig Mehrheitsentscheidungen anzuerkennen.

 

Autor: Dominik Sprenger