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Klimaschutz als interdisziplinärer Arbeitsschwerpunkt der HSS in China
Gründung eines Deutsch-Chinesischen Arbeitskreises zum Klima- und Nachhaltigkeitsrecht

Deutschland und China sind sich einig, dass globale Herausforderungen wie der Klimawandel nur gemeinsam gelöst werden können. Hierzu braucht es Dialog und Kooperation in den verschiedensten Feldern. Ergänzend zur Arbeit der HSS in Bereichen wie der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume oder der Bildung für Nachhaltige Entwicklung wurde daher im Jahr 2022 ein neuer Arbeitskreis zum Thema Klimarecht ins Leben gerufen, in dem sich Rechtswissenschaftler über juristische Probleme des Klimaschutzes austauschen können.

Eingebettet in den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog fördert die Hanns-Seidel-Stiftung seit rund 20 Jahren den Austausch zwischen der deutschen und chinesischen Rechtswissenschaft in den Bereichen Straf-, Verwaltungs- und Staatsrecht mit Partnern wie der Peking Universität, der Renmin Universität, der Zentralen Pateihochschule, der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft oder der Universität der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.

Saúl Luciano Lliuya spricht über die Gefahren der Gletscherschmelze in den Anden Bild: Germanwatch e.V.

Der Themenkomplex Klima und Nachhaltigkeit bildet einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit der Stiftung in China. Das Projektbüro Zhejiang widmet sich seit seiner Gründung im Jahr 2019 ausschließlich der Erfüllung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele und ergänzt so die bestehenden Arbeitsfelder der Stiftung um eine wichtige Komponente. Während der Hauptschwerpunkt des Büros im Bereich Bildung für Nachhaltige Entwicklung liegt, wurden nun durch die Gründung des „Deutsch-Chinesischen Arbeitskreises Klima- und Nachhaltigkeitsrecht“ die Felder Rechtstaatlichkeit und Nachhaltigkeit zusammengeführt.

Deutschland und China tragen als führende Volkswirtschaften in Europa und Asien eine besondere Verantwortung für den Klimaschutz und haben vor diesem Hintergrund weitreichende Emissionsreduktionsziele ausgerufen:

China hat vor den Vereinten Nationen erklärt, bis spätestens 2030 seinen Emissionshöhepunkt und bis 2060 CO2-Neutralität zu erreichen. Deutschland hat sich nicht zuletzt in seinem 2021 novellierten Klimaschutzgesetz dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften.

Klimaschutz und Maßnahmen für mehr Klimaresilienz brauchen nicht zuletzt auch klare rechtliche Grundlagen, die zwar in ersten Ansätzen bereits bestehen, die aber im gemeinsamen internationalen Dialog noch deutlich weiter vorangebracht werden müssen.

Durch Vorträge an chinesischen Universitäten und die Auftaktkonferenz zum deutsch-chinesischen Arbeitskreis Klima- und Nachhaltigkeitsrecht am 2. und 3. Dezember 2022 wurde die Grundlage für eine vertiefte Zusammenarbeit in den kommenden Jahren gelegt.

Auf der zweitägigen Online-Konferenz mit den chinesischen Partnern, der China Jiliang Universität und der Zhongnan University of Economics and Law, diskutierten 15 renommierte Rechtswissenschaftler von zahlreichen Hochschulen aus Deutschland und China und hielten Vorträge zum Thema „Klimaklagen“ aus den Perspektiven des öffentlichen Rechts, des Zivilrechts und des Strafrechts.

Klimaklagen beziehen sich auf Rechtsstreitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel und den Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft stehen. Die Klägerinnen und Kläger versuchen durch juristische Mittel politische Maßnahmen und Verhaltensänderungen von Unternehmen und Regierungen durchzusetzen, um den Klimawandel zu verlangsamen oder zumindest zu mildern. Klimaklagen können von Einzelpersonen, Organisationen oder sogar von Staaten eingereicht werden. Sie zielen darauf ab, Verantwortlichkeit und Haftung zu definieren und Kompensationen für durch den Klimawandel verursachte Schäden zu fordern. In einigen Fällen wurden Klimaklagen bereits erfolgreich eingereicht und haben zu politischen Veränderungen und Schadensersatzzahlungen geführt.

Ein Gletschersee wird aufgrund des Klimawandels größer und könnte eine Flutwelle auf die Stadt Huaraz auslösen.

Ein Beispiel stellte PD Dr. Jan-Erik Schirmer von der HU Berlin in seinem Vortrag vor: Der peruanische Bergführer Saúl Luciano Lliuya verklagte mit Hilfe deutscher Klimaschutzorganisationen den Energiekonzern RWE. Der Kläger lebt mit seiner Familie in unmittelbarer Nähe eines Sees in den Anden, der durch die Gletscherschmelze in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches angewachsen ist. Nun besteht die Gefahr, dass plötzlich vom Gletscher abbrechende Eismassen in den See fallen und zu einer verheerenden Flutwelle führen, die für Saúl, seine Familie und viele weitere Menschen in der Stadt Huaraz lebensgefährlich wäre. Nach den Bestimmungen zum „anteiligen Aufwendungsersatz“ im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wurde RWE verklagt, einen kleinen Anteil der Kosten für bauliche Schutzmaßnahmen zum Abhalten einer möglichen Flutwelle zu tragen. RWE als einer der größten CO2-Emittenten weltweit trägt, so die Sicht des Klägers, eine anteilige Verantwortung am Klimawandel und somit auch an der Gefahrensituation, in der sich Saúl befindet. Ein Urteil ist zwar noch nicht gesprochen, aber dadurch, dass der Fall immerhin schon in die Phase der Beweisaufnahme eingetreten ist, wurde bereits ein neues Kapitel Klimarechtsgeschichte geschrieben.

Mit diesem und vielen weiteren Fallbeispielen bietet das neue Austauschformat eine Plattform, um die globale Herausforderung Klimawandel aus wissenschaftlicher Perspektive zu diskutieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. In den kommenden Jahren sollen gegenseitige Besuche chinesischer und deutscher Klimarechtler sowie gemeinsame Publikationen der Arbeitsgruppe folgen.

Autor:

Dominik Sprenger