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Delegation zur Förderung von Frauen in der Arbeitswelt

Im Oktober 2016 besuchte eine Delegation des All-Chinesischen Frauenverbandes Deutschland, um sich über das dortige Angebot an familienorientierten Leistungen zur Förderung von Frauen in der Arbeitswelt zu informieren. Gesetzgebung, Kinderbetreuung und Altenpflege standen dabei im Mittelpunkt.

Die Delegation mit Projektleiter Alexander Birle in Berlin

Die sechsköpfige Gruppe unter Leitung von Cui Yu, Vizepräsidentin des Verbandes, besuchte vom 26. bis 30. Oktober Berlin und München. Nach einem Vortrag zum aktuellen Stand der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Europa am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung hatten die Teilnehmerinnen die Gelegenheit, die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes kennenzulernen. Diese basiert auf dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das seit 2006 den Schutz vor Diskriminierung durch private Akteure regelt. Ziel des Gesetzes sind Prävention und Intervention, unter anderem durch die Einrichtung von Beschwerdestellen in Betrieben, Information und Schulungen für Beschäftigte sowie Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung durch die ADS. Mit Projekten wie dem Entgeltgleichheits-Check und dem Gleichbehandlungs-Check hilft die Stelle Arbeitgebern dabei, Ungleichbehandlungen zwischen Frauen und Männern zu identifizieren und aufzuheben. Außerdem wird sie durch Beratung und Schlichtung sowie die Prüfung von Beschwerden selbst aktiv. Schließlich ist es Aufgabe der ADS, Forschung zum Thema zu betreiben und dem Deutschen Bundestag regelmäßig über den aktuellen Stand der Diskriminierung in Deutschland zu unterrichten.

Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Lohngerechtigkeit und Betreuungsaufgaben als zentrale Herausforderungen

Bei einem Termin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fasste Angelika Engstler, Referatsleiterin für Grundsatzfragen, die Maßnahmen der Bundesregierung zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben zusammen. Diese beschränken sich nicht nur auf finanzielle Unterstützung von berufstätigen Eltern über das Elterngeld, sondern umfassen auch gesetzliche Maßnahmen wie die 2016 eingeführte Geschlechterquote für Führungspositionen in großen Wirtschaftsunternehmen. Aktuell arbeitet das Ministerium außerdem an einem Gesetzesentwurf  für mehr Lohngerechtigkeit, da in Deutschland Frauen durchschnittlich immer noch mehr als 20 Prozent weniger verdienen als Männer – in China beträgt die Lücke mehr als 30 Prozent. Neben diesen Maßnahmen, die Ungleichbehandlungen direkt beheben helfen, setzt das Ministerium aber auch auf indirekte Unterstützung, etwa für Menschen, die pflegebedürftige Angehörige versorgen müssen. Da diese Aufgabe meist von Frauen übernommen wird, tragen auch das Pflegegeld oder die gesetzlich geregelte temporäre Freistellung von der Arbeit zur Gleichstellung von Frauen und Männern bei.

Kinderbetreuung, die sowohl in Deutschland als auch in China ebenfalls weit überwiegend von Frauen geleistet wird, war Thema eines Besuches bei der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft. Während in Deutschland seit 2013 jedes Kind nach dem vollendeten ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf Förderung in einer Kindertagesstätte besitzt, hat die Einführung der Zwei-Kind-Politik in China 2016 auch dort eine Diskussion über die Rolle der Väter und des Staates bei der Kinderbetreuung angestoßen. Derzeit fehlt es noch weitgehend an der notwendigen Infrastruktur, so Delegationsleiterin Cui, was zu steigenden Kosten für entsprechende Dienstleistungen und Zurückhaltung bei der Wahrnehmung des Rechts auf ein zweites Kind führt.

Nach einem Besuch im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, bei dem unter anderem die Pflegeversicherung und der Pflegefonds diskutiert wurden, deren Ausbau nicht nur eine Reaktion auf Geschlechterungleichheiten, sondern auch auf die auch in China akute Alterung der Gesellschaft ist, kam es in der Zentrale der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) zu einem Treffen mit Prof. Ursula Männle, Vorsitzende der Stiftung und ehemalige familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Bei dem Austausch, der sich schwerpunktmäßig mit der Förderung der Geschlechtergleichstellung im Erwerbsleben im ländlichen Raum befasste, waren außerdem Willi Lange, Leiter des Referats Nordostasien des Instituts für Internationale Zusammenarbeit der HSS, Stefanie von Winning, Leiterin des Referats Politische Grundlagen und Grundwerte, Schule und Bildung des Instituts für Politische Bildung der HSS, sowie Prof. Dr. Claudia Eckstaller, Professorin der Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Human Resource Management an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München, anwesend.

Vizepräsidentin Cui Yu während ihres Vortrags in der Hanns-Seidel-Stiftung

Ansätze für Chancengleichheit im ländlichen Raum

Vizepräsidentin Cui berichtete zunächst über die aktuellen Bemühungen des All-Chinesischen Frauenverbandes (ACFV), die Erwerbsquote von Frauen in ländlichen Regionen Chinas zu erhöhen. Insbesondere Mikrokredite spielen dabei eine wichtige Rolle, die mit dazu beigetragen haben, dass mittlerweile mehr als ein Viertel der kleinen und mittelständischen Unternehmen im Land von Frauen geführt werden. Der Internethandel, der in den letzten Jahren insgesamt stark gefördert wurde, ist dabei eines der wichtigsten Betätigungsfelder. Doch auch familienorientierte Dienstleistungen sind ein stark wachsender Markt. Nicht nur junge Familien, sondern verstärkt auch Frauen und Männer, die pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben, tragen zu einem stetig wachsenden Bedarf bei. Der ACFV fördert deshalb landesweit die Ausbildung in diesem Bereich, der sowohl das Potential birgt, die Erwerbsmöglichkeiten von Frauen zu verbessern, als auch bereits erwerbstätige Frauen zu entlasten.

Eckstaller gab daraufhin zu bedenken, dass der demografische Wandel es auch in Deutschland notwendig macht, Frauen die Erwerbstätigkeit zu erleichtern, wenn der Lebensstandard gehalten werden soll. Da Frauen häufiger als Männer im Dienstleistungssektor tätig sind, ist es nötig, diesen besonders zu fördern. Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass Kinder die Mobilität von Frauen einschränken, weswegen der Ansatz, Möglichkeiten in der internetbasierten Wirtschaft für Frauen zu schaffen, vielversprechend ist. Schließlich sind gerade im ländlichen Raum Vorbilder, unterstützende Netzwerke und Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um die Innovationskraft der häufig gut ausgebildeten Frauen nutzbar machen zu können.

Frau Su Jun, Präsidentin des Frauenverbandes Gansu, ging in ihrem Beitrag auf die besonderen Herausforderungen der westchinesischen Provinz ein. Von den 26 Millionen Einwohnern leben mehr als drei Millionen unter der Armutsgrenze. Derzeit wird intensiv daran gearbeitet, bis 2020 die Armut flächendeckend zu besiegen. Oftmals geht es dabei darum, Menschen, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, zusätzliche Verdienstmöglichkeiten zu eröffnen, etwa durch Fortbildungen in handwerklichen Berufen. Aber auch in Gansu spielen Ausbildungsprogramme im Bereich familienorientierte Dienstleistungen eine wichtige Rolle. Damit verbunden ist aber meist auch ein Umzug vom Land in die Städte, da dort der Bedarf am größten ist und die Einkommensmöglichkeiten diejenigen in ländlichen Regionen um das fünf- bis sechsfache übersteigen. Dieser Schritt ist für viele Frauen jedoch nicht einfach und mit neuen Herausforderungen verbunden, weswegen der ACFV auch hierbei unterstützende Maßnahmen anbietet.

Cui Yu und Vorsitzende Prof. Ursula Männle

Bis vor wenigen Jahrzehnten war auch Bayern ein Agrarland, so Männle, konnte sich jedoch vor allem durch Investitionen in Bildung zu einem Wissenschafts- und Technologiestandort weiterentwickeln. Programme zur Ansiedlung von Betrieben im ländlichen Raum trugen gleichzeitig dazu bei, die Abwanderung einzudämmen. Landwirtschaft ist zwar auch heute ein wichtiger Wirtschaftszweig, wird jedoch meist nur noch im Nebenerwerb betrieben, kombiniert mit einer lokalen Veredelung und Vermarktung der Produkte. In Bezug auf die Entwicklung des Marktes für Haushaltsdienstleistungen sieht Männle ebenfalls Parallelen zu China, da die Nachfrage zwar groß ist, das Angebot jedoch nicht angemessen aufgestockt werden kann. Bezahlung und Prestige der Berufsgruppe sind niedrig, sodass die Lücken oft mit Arbeitskräften aus dem Ausland gefüllt werden müssen.

Abschließend konstatierte Cui, dass es zwar in Bezug auf die Herausforderungen viele Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und China gibt, Deutschland aber sowohl bei der Gestaltung des Rechtsrahmens, als auch bei der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch konkrete Maßnahmen mehr Erfolge vorzuweisen hat. Viele der Initiativen scheinen angepasst auch auf China übertragbar, weswegen der Fortsetzung des Erfahrungsaustauschs ein hoher Stellenwert beigemessen wird.

Zu Besuch im Zentrum für Jung und Alt Germering

Innovative Pflegekonzepte auch in China sehr gefragt

Besuche bei sozialen Einrichtungen rundeten die Delegationsreise ab. Gemeinsam mit Gabriele Off-Nesselhauf, Mitglied im Bezirksvorstand der Frauenunion Oberbayern, war die Delegation zunächst beim Zentrum für Jung und Alt (Zenja) in Germering zu Gast. Die Einrichtung steht beispielhaft für die 52 Mehrgenerationenhäuser, die in ganz Deutschland eine große Spannbreite sozialer Dienstleistungen insbesondere für ältere Menschen anbieten. Neben der Demenzberatung, einem Hospiz und einem Café als Treffpunkt und sozialem Zentrum bietet die Einrichtung auch Suchtberatung, Kinderbetreuung im Krankheitsfall sowie Unterstützung bei der Integration von Flüchtlingen. Ziel ist die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts über Alters- und kulturelle Grenzen hinweg. Gerade die Verknüpfung verschiedenster sozialer Dienstleistungen macht effektives Arbeiten und kurze Wege möglich. Große Bedeutung hat dabei das ehrenamtliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger, das es auch erlaubt, viele der Angebote kostenlos zur Verfügung zu stellen. Ebenso wichtig ist jedoch die Unterstützung durch unabhängige Vereine, die Stadt Germering sowie den Bezirk Oberbayern.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Ilse Kubaschewski Haus in Starnberg, das sich jedoch insbesondere auf die Betreuung pflegebedürftiger und dementer Senioren spezialisiert. Kern des Angebots sind zwei betreute Wohngemeinschaften für Demenzkranke, in denen die Bewohner soweit möglich in den normalen Tagesablauf und die anfallenden Aufgaben eingebunden werden. Auch Tagespflege für Senioren, deren Angehörige die Pflege selber nicht mehr leisten können, kann an Werktagen im Haus angeboten werden. Ein angebundener Seniorentreff erlaubt es außerdem, dass gesunde und pflegebedürftige Senioren gemeinsam den Tag verbringen. Eine solch umfassende, zeit- und personalintensive Betreuung ist in regulären Altersheimen oft nicht möglich, weswegen in Deutschland in den letzten Jahren immer mehr kleinere Altenpflegeeinrichtungen entstanden sind. Ergänzt wird das Konzept durch ambulante Pflegedienstleistungen, die durch den Verein Ambulante Krankenpflege Tutzing realisiert werden.

In einem abschließenden Gespräch verglich Delegationsleiterin Cui die gewonnenen Eindrücke aus Deutschland mit der Situation in China. Auch dort entstehen immer mehr Altenpflegeeinrichtungen, dennoch werden 90 Prozent der Senioren weiterhin zuhause gepflegt. Aufgrund der mittlerweile revidierten Ein-Kind-Politik stehen Ehepaare und insbesondere verheiratete Frauen vor der großen Herausforderung, die alleinige Verantwortung für die Versorgung von vier Senioren übernehmen zu müssen. Der steigende Bedarf an Dienstleistungen kann bei weitem noch nicht gedeckt werden, staatliche Investitionen sind noch unzureichend und die Qualität der Angebote muss weiter erhöht werden. Gerade die Besuche bei Einrichtungen, die mit praktischer Unterstützung dazu beitragen, Frauen im Alltag zu entlasten, zeigen jedoch gangbare Lösungen auf, die auch in China umsetzbar sind.

Autor: Jonas Rasch