Print logo

Delegation der Zentralen Parteihochschule zu Finanzausgleichsmechanismen in Deutschland

Chinas wirtschaftliche Entwicklung ist durch erhebliche regionale Disparitäten gekennzeichnet. Um Einblicke in Finanzausgleichsmechanismen zur Schaffung bundeweit gleichwertiger Lebensverhältnisse zu erlangen, war Ende 2016 eine Delegation aus Wissenschaftlern der Zentralen Parteihochschule zu Gast in Deutschland.

Vor der HSS-Stiftungszentrale in München

Acht Wissenschaftler der Hochschule des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (Zentrale Parteihochschule) besuchten vom 3. bis 9. November 2016 auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) Deutschland, um sich in Fachveranstaltungen in Bayern, Berlin und Brandenburg mit Finanzausgleichsmechanismen zur Reduzierung regionaler Disparitäten vertraut zu machen. Bereits im vorangegangenen April hatte die HSS gemeinsam mit der Zentralen Parteihochschule ein Symposium zum Thema abgehalten, dessen inhaltlicher Schwerpunkt nun weiter vertieft wurde. Angeführt wurde die Delegation von Frau Prof. Cao Li, der stellvertretenden Leiterin der Abteilung für Wirtschaftswissenschaften an der Zentralen Parteihochschule.

Finanzierung kommunaler Aufgaben in Bayern

Den Auftakt machte eine Veranstaltung im Bayerischen Finanzministerium, auf der die Grundlagen des kommunalen Verwaltungshandelns in Bayern vorgestellt wurden. So begründet die im Grundgesetz festgeschriebene kommunale Selbstverwaltungsgarantie einen Anspruch der Kommunen auf eine auskömmliche finanzielle Ausstattung zur Erfüllung ihrer Pflichten. Weiterhin besagt das Prinzip der Gesetzeskonnexität, dass die Kosten für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von derjenigen Regierungsebene zu tragen sind, die die Aufgabe erteilt. Vereinfacht beschrieben mit der Formel „wer anschafft, zahlt“, stellt das Konnexitätsprinzip so sicher, dass Bund oder Länder den Kommunen keine Aufgaben übertragen, die deren finanzielle Kapazitäten übersteigen. Ein wichtiges Instrument zur Unterstützung finanzschwacher Kommunen ist außerdem der kommunale Finanzausgleich, der einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung einer landesweit ausgeglichenen Entwicklung leistet.

Die Förderung einer ausgewogenen regionalen Entwicklung in Bayern war dann auch Thema eines akademischen Austauschs, der unter Teilnahme der HSS-Vorsitzenden Prof. Ursula Männle in der Stiftungszentrale in München stattfand. Dass regionale Disparitäten China vor noch größere Herausforderungen stellen als Deutschland, verdeutlichte ein Impulsreferat von Delegationsleiterin Cao. Neben verschiedenen regionalen Problemstellungen kämpft China auch mit systemischen Hindernissen, die eine ausgeglichene Entwicklung im ganzen Land erschweren. So haben etwa Lokalregierungen immer weniger Mittel zur Verfügung, um eine wachsende Zahl an Aufgaben wahrzunehmen. Hier könnte China vom deutschen Konnexitätsprinzip lernen, um einer Überlastung der Lokalregierungen entgegenzuwirken, so Cao. Darüber hinaus verschärft die schwerpunktmäßige Entwicklung von Mega-Cities soziale und regionale Disparitäten weiter. Daher muss eine nachhaltige Urbanisierungsstrategie künftig noch mehr Wert auf die Entwicklung kleinerer bis mittlerer Städte und Kreise legen.

Uwe Raab bei seinen Ausführungen zum Wirtschaftsband A9

Auf die Förderung ländlicher Regionen ging direkt im Anschluss auch der Beitrag von Prof. Gisela Färber von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften ein. Um einer zunehmenden Abwanderung entgegenzuwirken, wird in Deutschland seit einigen Jahren die Schaffung multizentrischer Siedlungsstrukturen angestrebt, deren Grundlage in der Förderung von Verkehrs- und Sozialinfrastruktur sowie in einer effektiveren Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge liegt. Vor diesem Hintergrund müssen Finanzausgleichsmechanismen künftig, so Färber, noch stärker auf die Unterstützung peripherer Räume ausgerichtet werden.

Zwei erfolgreiche Beispiele interkommunaler Zusammenarbeit lernten die Gäste im Bayerischen Landkreistag sowie im oberfränkischen Pottenstein kennen. In der nordostbayerischen Kleinstadt stellte Herr Uwe Raab, Bürgermeister der Stadt Pegnitz, die Initiative „Wirtschaftsband A9 Fränkische Schweiz“ vor, einen Zusammenschluss von 18 Kommunen mit dem Ziel einer integrierten ländlichen Entwicklung.

Der Bayerische Landkreistag ist ein freiwilliger Zusammenschluss der 71 bayerischen Landkreise zu einem kommunalen Spitzenverband. Ziele sind die Stärkung der Selbstverwaltung auf Kreisebene und die Förderung bürgerlichen Engagements für eine eigenverantwortliche Gestaltung des öffentlichen Lebens. Ein wichtiger Schwerpunkt ist zudem die Stärkung des ländlichen Raums. Nach innen dient der Landkreistag dem Erfahrungs- und Informationsaustausch unter den Landkreisen, nach außen vertritt er die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder gegenüber übergeordneten Regierungsebenen.

Ziel der interkommunalen Zusammenarbeit, so Lothar Winkler vom Amt für Ländliche Entwicklung Oberfranken, ist eine bessere Positionierung der gesamten Region im Standortwettbewerb und eine stärkere Verhandlungsposition zur Erwerbung staatlicher Fördermittel. Gerade diese relativ eigenständige und selbstbewusste Positionierung der Kommunen gegenüber höheren Verwaltungsebenen sieht Winkler als Garant für eine effektive Regierungsführung, die sich unmittelbar an den Bedürfnissen der Menschen vor Ort ausrichtet.

Steueraufkommen der Länder variiert stark (Quelle: Senatsverwaltung für Finanzen Berlin)

Bund-Länder-Finanzbeziehungen

Im Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam richtete sich der Blick auf die Erfahrungen der Bundesrepublik in Zusammenhang mit dem Abbau regionaler Disparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland nach der Wiedervereinigung. Prof. André Steiner betonte, dass der mit Abstand größte Teil der Fördergelder für den Aufbau Ost in soziale Maßnahmen geflossen ist, vor allem in die gesetzliche Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dabei hätte eine von Anfang an zielgerichtete Wirtschaftsförderung Arbeitsplätze besser erhalten können und so langfristig weniger Kosten verursacht. Gefragt nach den Ursachen wirtschaftspolitischer Fehler erinnerte Steiner an den enormen politischen Druck, eine schnelle und umfassende Wiedervereinigung zu ermöglichen. So bewertet er auch die Unterzeichnung des Staatsvertrags zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion im Jahr 1990 als eine politisch zwar richtige, wirtschaftlich jedoch hoch problematische Entscheidung.

Gegenstand eines Austauschs in der Berliner Senatsverwaltung für Finanzen war der Länderfinanzausgleich. Dr. Bernhard Speyer, Experte für Bund-Länder-Finanzbeziehungen, schilderte zunächst die verfassungsrechtliche Grundlage der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, die jedem Bürger in Deutschland unabhängig von seinem Wohnort vergleichbare öffentliche Dienstleistungen und Lebenschancen garantiert. Ist ein Bundesland nicht in der Lage, dies aus eigener Kraft umzusetzen, muss es finanzielle Unterstützung erhalten. So trägt der Länderfinanzausgleich bis heute effektiv zur Verringerung sozialer Disparitäten bei. Mit Blick auf die Situation in China stellte Delegationsleiterin Cao heraus, dass das dortige System lediglich über vertikale, nicht aber über horizontale Transfermechanismen verfügt und ein Mischsystem wie das des Länderfinanzausgleichs daher wertvolle Anregungen für weitere Reformen leisten kann.

Unter anderem vor dem Hintergrund vermehrter Kritik aus einigen Geberländern wird der jetzige Ausgleichsmechanismus jedoch zum Jahr 2020 abgeschafft und durch ein neues System ersetzt. Der neue Finanzausgleich, so Ministerialrat Joachim Berger bei einer Anschlussveranstaltung im Bundesrat, sieht jährlich steigende Hilfen des Bundes und eine Entlastung der Geberländer vor. Im Gegenzug erhält der Bund mehr Kontroll-, Steuerungs- und Prüfrechte – etwa in der Steuerverwaltung oder bei Investitionen in Schulen. Gefragt, ob der föderale Finanzausgleich mit der Umsetzung dieser Reformen nun wegfalle, relativierte Berger: Zwar erfolgt die Verteilung zwischen den Ländern künftig weniger direkt, doch werden steuerreiche Länder weiterhin mehr abgeben als einnahmeschwächere, wodurch nach wie vor eine umfassende Umverteilung gewährt bleibt.

Dr. Verena Mertins im Bundeswirtschaftsministerium

Wirtschaftlicher Strukturwandel und demografische Entwicklung

Frau Dr. Verena Mertins, Referentin für Regionale Wirtschaftspolitik, stellte im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Ergebnisse einer Studie zum Strukturwandel im Ruhrgebiet vor. Insgesamt entwickelte sich die Region nach dem Niedergang der Montanindustrie erfolgreich zu einer dienstleistungsorientierten Wissenschaftsregion und einem der größten Hochschulstandorte Deutschlands. Trotzdem liegen Beschäftigungsquote und Bruttowertschöpfung weiterhin unter dem nationalen Durschnitt, sodass öffentliche Förderanstrengungen vor allem in den Bereichen Fachkräftesicherung, unternehmerische Innovation sowie Digitalisierung weiter intensiviert werden müssen. Gefragt, wie strukturschwache Regionen in China von den Erfahrungen des Ruhrgebiets lernen können, hob Mertins die Bedeutung eines integrierten Ansatzes der Einbindung verschiedener Politikfelder und Regierungsebenen sowie einer wirkungsorientierten Steuerung durch die Entwicklung eines Monitoring-Systems zur Evaluierung von Fördermaßnahmen hervor.

Wichtige Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen der wirtschaftlichen Strukturförderung sind die sogenannten Landesförderinstitute. Jan Lewerenz von der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) stellte beispielhaft für dieses in allen Bundesländern verbreitete Finanzierungsmodell Grundlagen, Auftrag und Arbeitsweise seiner Institution vor.

Die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB): Gegründet im Jahr 1992, ist die ILB eine Anstalt des öffentlichen Rechts zur Förderung öffentlicher und privater Investitionsvorhaben in den Bereichen Wirtschaft, Infrastruktur und Wohnungsbau. Finanziert aus Mitteln des Landes, des Bundes und der Europäischen Union, unterstützt die ILB das Land Brandenburg bei der Umsetzung seiner struktur- und wirtschaftspolitischen Ziele. Durch langfristige und verhältnismäßig zinsniedrige Kredite setzt sie nachhaltige Wachstumsimpulse.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Finanzierung der öffentlichen Haushalte beleuchtete Prof. Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Angesichts einer sinkenden Erwerbsfähigenzahl müssen demnach gerade in Bezug auf das Rentensystem möglichst bald tragfähige Lösungen gefunden werden, um soziale Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Weiterhin stellte der Journalist und Schriftsteller Helmut Kuhn in der Bundeszentrale für Politische Bildung heraus, dass das deutsche Sozialversicherungssystem durch die flächendeckende Bereitstellung sozialer Grundsicherung auch einen wichtigen Beitrag zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse leistet. So wird sich der Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels ganz entscheidend auf die weitere Entwicklung regionaler Disparitäten in Deutschland auswirken. Auch China, so die Teilnehmer, wird als Konsequenz der Ein-Kind-Politik und veränderter Lebensweisen im Zuge der Urbanisierung seine „demografische Dividende“ rasch einbüßen und künftig sogar vor noch größeren Problemen stehen als Deutschland.

Nach insgesamt elf Fachveranstaltungen sowie einem Besuch beim CSU-Parteitag, der den Wissenschaftlern ein anschauliches Bild gelebter Demokratie vermittelte, endete das Programm am 9. November 2016 in Berlin. Auf Wunsch der Delegation wird das im Rahmen der Delegationsreise bereits angeschnittene Thema des wirtschaftlichen Strukturwandels im Jahr 2017 in weiteren gemeinsamen Veranstaltungen vertieft.

Autor: Dominik Sprenger