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Das Chinabild in Deutschland und Europa

China bemüht sich darum, seinen internationalen Einfluss auszubauen. Wie das Land weltweit wahrgenommen wird, spielt dabei eine wichtige Rolle. Eine Veranstaltung an der Pekinger Fremdsprachenuniversität beleuchtete nun das Chinabild der Europäer.

Günter Schucher

Am 28. September 2015 organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung gemeinsam mit der Pekinger Fremdsprachenuniversität eine Vorlesung von Dr. Günter Schucher, Senior Research Fellow am GIGA-Institut für Asienstudien, zum Thema „Das Chinabild in Deutschland und Europa“.

Sowohl Politiker als auch Unternehmer weltweit haben großes Interesse an der Frage, wie ihr Land in der Welt wahrgenommen wird, so Schucher zu Beginn seines Vortrags. Soft Power, die hauptsächlich auf einer positiven Außenwahrnehmung basiert, ist seit Jahren ein allgegenwärtiges Schlagwort in der Diskussion um Chinas Außenpolitik. Erst das Ausloten der Unterschiede zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung macht eine realistische Einschätzung der Position des eigenen Landes in den Augen der Weltgemeinschaft möglich, die wiederum Voraussetzung für die Ausarbeitung verlässlicher außenpolitischer und -wirtschaftlicher Strategien ist.

Vergleicht man die chinesische mit der europäischen Medienberichterstattung über Entwicklungen im Land, werden schnell gravierende Diskrepanzen deutlich. Insbesondere wenn es um Themen wie Aufrüstung, Rechtstaatlichkeit oder die Bekämpfung von Umweltproblemen geht, weichen die Einschätzungen weit voneinander ab.

Quelle: Präsentation von Dr.Günter Schucher

Das Chinabild ist in Deutschland besonders negativ

Da erst seit Anfang der 2000er Jahre entsprechende Daten erhoben werden, kann die Entwicklung des Chinabildes in Europa nur sehr begrenzt nachgezeichnet werden, so Schucher. Anhand von Ergebnissen des Meinungsforschungsinstituts Pew auf die allgemeine Frage „Haben Sie ein positives Bild von China?“ lässt sich jedoch für die vergangenen zehn Jahre ein grobes Muster erkennen. Während zunächst die Mehrheit der Europäer eine positive Einstellung gegenüber dem Land hatte, sank diese Zahl bis 2008 auf einen Tiefpunkt. Danach verbesserte sich die Mehrheitsmeinung wieder, bevor sie in den letzten Jahren erneut absackte. Auffallend ist, dass das Chinabild in Großbritannien überdurchschnittlich positiv, in Deutschland dagegen fast durchgehend am negativsten ist. Außerdem wird in den Umfragen deutlich, dass Europäer China als Staat wesentlich kritischer gegenüberstehen als seinen Einwohnern.

Über die Gründe für die Meinungsschwankungen über die Jahre kann nur spekuliert werden. Eine Reihe von Ereignissen könnte dabei eine Rolle gespielt haben, etwa der Aufstieg konservativer Parteien, das wachsende Handelsdefizit Europas gegenüber China oder vermehrte Berichterstattung über die Lage in Tibet. Während der Erfolg der Olympischen Spiele 2008 in Beijing und der Weltausstellung 2010 in Shanghai dazu beigetragen haben könnten, dass sich die Meinungen zwischenzeitlich wieder etwas verbesserten, beeinflusst unter anderem die Menschenrechtssituation das Chinabild vieler Europäer bis heute negativ.

Quelle: Präsentation von Dr.Günter Schucher

Der wirtschaftliche Einfluss Chinas wird unterschiedlich bewertet

Bei Fragen zu Chinas wirtschaftlichem Potential zeigt sich ein ähnliches Bild. Großbritannien ist der chinesischen Wirtschaft gegenüber überdurchschnittlich positiv eingestellt, während insbesondere in Frankreich und Deutschland die Skepsis überwiegt. Interessant ist hier allerdings, so Schucher, dass die Deutschen Chinas wirtschaftliches Agieren zwar als negativ, nicht jedoch als bedrohlich empfinden, was auf ein im europäischen Vergleich größeres Selbstvertrauen in die eigene wirtschaftliche Stärke zurückzuführen sein könnte. So wird China in Deutschland denn auch eher als wirtschaftlicher Partner betrachtet denn als Gegner, wohingegen in Großbritannien oder Frankreich die Konkurrenz betont wird.

Auch wenn es um Chinas militärische Macht geht, zeigt sich ein differenziertes Bild. In Großbritannien wird diese an sich nicht sonderlich negativ eingeschätzt, dennoch meinen überdurchschnittlich viele Befragte, dass das Land eine militärische Bedrohung darstellt. Die Deutschen dagegen sehen die militärische Macht Chinas sehr negativ, fühlen sich durch sie jedoch nicht direkt bedroht. Laut Schucher lässt sich dieser Unterschied auch damit erklären, dass die deutsche Bevölkerung laut Umfragen dem Einfluss von Großmächten grundsätzlich ablehnend gegenübersteht, sich aber nicht direkt bedroht fühlt, da das Land sich global militärisch zurückhält.

Zu beobachten ist im Hinblick auf Deutschland auch, dass ein enger Zusammenhang zwischen der gefühlten Bedrohung durch China und derjenigen durch diverse Krisenherde auf der Welt besteht. Immer dann, wenn etwa im Nahostkonflikt eine neue Welle der Gewalt ausbricht, lässt die negative Einstellung gegenüber China nach. Kehrt im Nahen Osten dann wieder relative Ruhe ein, wird China wieder als Bedrohung wahrgenommen. Dies deutet darauf hin, so Schucher, dass nicht nur China selbst sein Image im Ausland beeinflussen kann, sondern dass eine ganze Reihe von externen Faktoren darauf Einfluss haben.

Maßnahmen zur Imagepflege greifen nicht

Laut der vom GIGA-Institut ausgewerteten Huawei-Studie 2014 führt ein Besuch des Landes zwar zu einer deutlich positiveren Einstellung gegenüber China allgemein, in Bezug auf das politische System oder das internationale Engagement sind die Veränderungen aber nur geringfügig. Die Meinung zu Chinas politischer Macht und dem Rechtssystem verschlechtert sich durch einen Besuch sogar. Der Ruf des Landes lässt sich also, so Schucher, auch durch direkten Kontakt nicht maßgeblich verbessern. Auch die Effektivität von Maßnahmen zur Imagepflege, wie etwa die Förderung von Konfuzius-Instituten oder des Tourismus, muss deshalb bezweifelt werden. Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele führen, zumindest in Europa, ebenfalls nur zu geringfügigen Verbesserungen. Eine nachhaltige Verbesserung des Chinabilds ließe sich in den westlichen Industrienationen deshalb nur erzielen, wenn es zu Veränderungen in den Punkten kommt, die am häufigsten kritisiert werden. Dazu gehöre nach Schucher neben dem mangelnden Umweltschutz und der Produktpiraterie vor allem die Tibetfrage und die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen.

Dass der Aufstieg eines großen Landes wie China weltweit eine ganze Bandbreite an Reaktionen auslöst, sollte niemanden verwundern, so die Gastgeberin, Prof. Wu Jiang vom Institut für Germanistik der Fremdsprachenuniversität, zu Beginn der anschließenden Diskussion. Der Facettenreichtum des Landes lässt viel Raum für Interpretationen, die selbstverständlich nicht alle positiv ausfallen. Es kommt vor allem darauf an, mit der Kritik angemessen umzugehen, so Wu.

Die Huawei-Studie: 2014 zum zweiten Mal veröffentlicht, stellt die Huawei-Studie die Meinungen der Deutschen zu China denjenigen der Chinesen zu Deutschland gegenüber. Dafür wurden in beiden Ländern jeweils 1.300 Personen zu Themen wie Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft und Kultur befragt. Die Daten, die von TNS Emnid erhoben wurden, wurden von Wissenschaftlern des Hamburger GIGA-Instituts für Asienstudien ausgewertet und interpretiert. Finanziert wurde die Studie vom chinesischen Telekommunikationsunternehmen Huawei.

Die Studenten beteiligen sich rege an der Diskussion

Der Einfluss der Medien

Um eine Einschätzung des Einflusses der Medien auf das Chinabild in Deutschland gebeten, verwies Schucher zunächst darauf, dass die Meinungsbildung ein überaus komplexer Vorgang ist, bei dem eine große Anzahl von Faktoren eine Rolle spielen können. Welchen Anteil daran die Medien spielen, lässt sich deshalb nicht mit Gewissheit feststellen. Pressefreiheit, der freie Medienmarkt und die Unterschiede in der persönlichen Motivation vieler Journalisten und Redakteure lassen außerdem auch in den Medien eine Meinungsvielfalt entstehen, die der These eines einheitlichen Chinabildes entgegensteht. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Faktoren wie der restriktive Umgang der chinesischen Behörden mit ausländischen Journalisten oder die Attraktivität von Sensationsmeldungen, die durch den Konkurrenzdruck in der deutschen Medienlandschaft noch befeuert wird, durchaus einen negativen Einfluss auf eine ausgewogene Chinaberichterstattung haben.

Ein weiterer Teilnehmer der Veranstaltung fügte hinzu, dass westliche Medien aufgrund ihres Selbstverständnisses als Kontrollorgan kritische Berichterstattung bevorzugen. Die negative Darstellung Chinas in den deutschen Medien ist deshalb nichts Ungewöhnliches und eine Untersuchung der Darstellung deutscher Politiker oder anderer Länder, wie etwa der USA oder Russlands, würde aller Wahrscheinlichkeit nach zu ähnlich negativen Ergebnissen führen. Der rasante Aufstieg Chinas hat verständlicherweise in den letzten Jahren zu einem großen Interesse in den deutschen Medien und der Bevölkerung geführt, ein Umstand, der China womöglich eher zu Gute kommt, als dass er dem Land schadet. 

Das Thema stieß bei den Wissenschaftlern und Studenten auf großes Interesse

Kulturelle Unterschiede behindern die Kommunikation

Dr. Patrick Kühnel, Gastdozent an der Fremdsprachenuniversität, berichtete anschließend von einer Studie, in der der Effekt eines chinesischen Imagefilms auf deutsche Probanden ermittelt werden sollte. Entgegen der Hoffnung der Filmemacher stellte sich dabei heraus, dass viele der Teilnehmer nach der Vorführung ein negativeres Bild von China hatten als zuvor. Zurückzuführen war dies nach Auswertung der Daten hauptsächlich auf die Art und Weise, wie der Film versuchte, im Westen häufig geäußerte Kritik zu widerlegen. Die dabei zu Tage tretende fehlende Erfahrung im souveränen Umgang mit kritischer Argumentationskultur und den postmaterialistischen Diskursen des Westens wirkte auf die meisten Teilnehmer abschreckend und unglaubwürdig.

Ob und inwieweit die großen Unterschiede in der kulturellen Prägung und die daraus resultierenden unterschiedlichen Argumentations- und (Selbst-)Darstellungsweisen zur eher negativen Einstellung vieler Europäer gegenüber China beitragen, wird aus den von ihm ausgewerteten Daten nicht ersichtlich, so Schucher. Dies liegt allerdings vor allem am Mangel an Untersuchungen zu diesem Thema, das aus seiner Sicht einen durchaus lohnenswerten Forschungsgegenstand darstellen würde.

In ihrem Schlusswort ging Wu unter anderem auch auf die Rolle chinesischer Gaststudenten in Deutschland ein. Als Botschafter der chinesischen Kultur tragen sie eine besondere Verantwortung, ein Bewusstsein für die Komplexität der chinesisch-deutschen Beziehungen ist daher unverzichtbar. Als Grenzgänger ist es ihre Aufgabe, Brücken zwischen den Kulturen zu bauen und so dazu beizutragen, bestehende Vorurteile abzubauen. 

Autor: Jonas Rasch