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Chinesisch-deutscher Austausch zu Fragen der Raumordnung in Shandong

Das vierte Chinesisch-Deutsche Symposium für Raumplanung fand am 13. und 14.Oktober am Bildungs- und Forschungszentrum für Flurneuordnung und Landentwicklung Qingzhou statt. In diesem Jahr nahmen mehr als 110 chinesische Experten aus Ministerien, Provinz- und Stadtverwaltungen, der Wissenschaft sowie aus der Politik teil.

Organisiert wurde die Veranstaltung gemeinschaftlich von der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS), dem Nationalen Institut für Landvermessung und Planung (Chinese Land Survey and Planning Institute, CLSPI), dem Amt für Land und Ressourcen Qingzhou (Land and Resources Bureau) und der Chinesischen Gesellschaft für Landwissenschaften (China Land Science Society). Die Grußworte hielten Li Haibing, Parteisekretär des CLSPI, Evelyn Gustedt von der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL), Yu Xiangdong, Vizeamtsleiter des Amtes für Land und Ressourcen Shandong, der Oberbürgermeister und Parteisekretär der Stadt Qingzhou Han Xingfu, und Dr. Michael Klaus, Projektleiter der HSS in Shandong.

Sebastian Büchs während seines Vortrags

Der „All-In-One-Plan“ als Leitmotiv

Leitmotiv der diesjährigen Veranstaltung waren konkrete Modellprojekte des „All-In-One-Plan“ auf Provinzebene. Deutsche Hauptrednerin war Dr. Evelyn Gustedt, Leiterin des Referats für räumliche Planung und raumbezogene Politik der ARL. Sie stellte anschaulich die Grundzüge des deutschen Planungssystems dar und zeigte durch eine Systematisierung die Unterschiede zu anderen Nationalstaaten auf. Ebenso benannte sie aktuelle Herausforderungen und nötige Anpassungen. Damit legte Gustedt die Grundlage für die nachfolgenden Vorträge und Diskussionen.

Dipl.-Ing. Sebastian Büchs von der Technischen Universität München erläuterte die Funktionsweise des deutschen Raumordnungssystems und insbesondere die Verknüpfungen der unterschiedlichen Planungsebenen. Besonderer Wert wurde auf die Bedeutung der Bürgerbeteiligung in verschiedensten Planungsphasen und Themenfeldern gelegt. Die Rückfragen zum Vortrag fokussierten sich auf mögliche diesbezügliche Schwierigkeiten und Vorteile. Das große Interesse an dieser Thematik lässt es wünschenswert erscheinen, chinesischen Experten in Zukunft die Teilnahme an einem Beteiligungsprozess in Deutschland im Rahmen einer Delegationsreise zu ermöglichen.

Dipl.-Geogr. Oliver Weidlich von der Universität Würzburg ging in seinen Ausführungen auf konkrete Fragen ein, die am vorherigen Tag angerissen worden waren. Um Überkomplexität in der integrierten räumlichen Planung zu vermeiden, empfahl er eine klare Schwerpunktsetzung bei den bearbeiteten Belangen. Er ging außerdem auf die verschiedenen Akteure in der Regionalplanung ein und wies darauf hin, dass in demokratischen Systemen gewählte Vertreter, die zum Teil selbst von den Planungen betroffen sind, an diesen maßgeblich beteiligt sind. Mit Hinweis auf die Dauer von Planungsprozessen schlug er unter anderem vor, Zwischenstände zu veröffentlichen, die bereits eine steuernde Wirkung entfalten können. Abschließend teilte Weidlich Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung bei Planungsprozessen verschiedener Größenordnungen.

Fallstudien und Modellprojekte in China

Der Hauptvortrag der chinesischen Seite wurde von Jia Kejing, dem Direktor der Abteilung für Landnutzungsplanung des CLSPI, gehalten, der eine Fallstudie zum regionalen Entwicklungsplan der Region Peking – Tianjin – Hebei vorstellte. Yang Xi, stellvertretender Chefplaner am CLSPI Wuhan, machte sich anschließend Gedanken zur Reform der Raumordnung und räumlichen Planung in China. Am Beispiel Wuhan zeigte er Koordinationsbeispiele auf und formulierte Vorschläge zu Planungsabläufen und Planintegration.

Weitere Referenten vonseiten des CLSPI waren Frau Su Hang von der Abteilung für die Evaluation von Landnutzungsplanungen und Tian Zhiqiang, Chefingenieur der Abteilung für Landnutzungsplanung. Sie befassten sich mit räumlichen Analysen und Modellprojekten. Den Abschluss des Seminars bildete der Vortrag von Dr. Cai Yumei vom Zentrallabor für Raumplanung des CLSPI, der sich mit Inspirationen aus der deutschen Raumordnung für das chinesische Planungssystem befasste. 

Blick ins Plenum des Symposiums

Workshops zur Raumplanung als flankierende Maßnahme

Abweichend von der Veranstaltung im Vorjahr wurden in diesem Jahr zwei Workshops zum Thema Raumordnung abgehalten. Ein Workshop mit 12 Teilnehmern aus der Führungsebene des CLSPI fand vor dem Symposium statt, während ein weiterer mit 11 Teilnehmern im Anschluss an das Symposium abgehalten wurde.

Der Verlauf des ersten Workshops orientierte sich an den Interessengebieten der Teilnehmer, die zu Beginn abgefragt wurden. Dabei stellten sich die Beziehungen der unterschiedlichen Planungsebenen, die Aufstellungsverfahren sowie die Lösung von Nutzungskonflikten auf kommunaler Ebene als zentrale Interessensschwerpunkte heraus.

Die deutschen Experten stellten daraufhin das Planungssystem der Regional- und Kommunalplanung anhand vielfältiger Beispiele vor. Besonders herausgearbeitet wurde, dass im deutschen Planungssystem der Bund nur eine Rahmenkompetenz innehat.

Diese wurde an den Leitbildern der Raumentwicklung und den Vorgaben des Raumordnungsgesetzes illustriert. Die konkreteren planerischen Festlegungen wurden anhand des bayerischen Landesentwicklungsprogramms, den Regionalplänen der Regionen München und Südhessen sowie diverser Bauleitpläne demonstriert. Besonders verdeutlicht wurde dabei das Gegenstromprinzip sowie die Art der Verbindlichkeit der jeweiligen Festlegungen. 

Oliver Weidlich und Sebastian Büchs mit der Projektmitarbeiterin Li Cuiyun im Rahmen der Workshops

Konkrete Probleme und Aufgaben im Mittelpunkt

Im zweiten Workshop wurden offene Themen aus der Konferenz vertieft diskutiert. Dabei legten Büchs und Weidlich besonderen Wert darauf, auf spezifische Problemlagen und Aufgabenstellungen der Teilnehmer einzugehen. So wurde anhand der Provinz Gansu in Nordwestchina beispielhaft diskutiert, wie die Entwicklung strukturschwacher Regionen durch Raumordnung beeinflusst werden kann.

Eingeführt wurde dabei auch das in Bayern bewährte Instrument des Regionalmanagements, welches durch Bottom-Up-Prozesse querschnittsorientiert Entwicklungspotentiale erkennt und dann durch konkrete Projektarbeit nutzt. Dadurch kann die Lebensqualität in Abwanderungsregionen gesteigert und letztlich die belastende Zuwanderung in die großen Zentren reduziert werden.

Anhand des Bayernatlasses konnte zudem erläutert werden, wie sich unterschiedliche Planwerke in Deutschland beeinflussen. Am Beispiel von Überschwemmungsgebieten wurde gezeigt, wie in der Regional- und Kommunalplanung auf Naturgefahren reagiert wird, wie diese in den Planwerken dargestellt werden und welche konkreten Auswirkungen dies auf die Nutzbarkeit der Flächen hat.

Eine intensive Diskussion über die Koordinierungs-und Sicherungsfunktion der Regionalplanung entstand am konkreten Beispiel des Regionalplans Südhessen im Umfeld des Flughafens Rhein-Main. Hier wurden auch die Möglichkeiten und Grenzen eines integrierten Planwerkes im Maßstab 1:100.000 illustriert.

Die Teilnehmer schlugen zum Abschluss des Workshops vor, in den kommenden Jahren konkrete Pilotprojekte zur integrierten Planung in China zu bearbeiten. In der Stadt Yantai in Shandong ist in den kommenden drei Jahren ein Pilotprojekt geplant, das über eine „All-in-One“-Planung die Ebenen Landkreis – Stadt – Bezirk miteinbeziehen soll. Eine solche horizontal und vertikal vernetzende Planung würde sich stark am deutschen Planungssystem orientieren. Dadurch wurde nochmals deutlich, dass die Deutschlandaufenthalte der vergangenen Jahre bereits konkrete Auswirkungen in der Vorbereitung des zukünftigen chinesischen Planungssystems haben. Eine Betreuung dieses Pilotprojekts durch das BFL Qingzhou wird als sinnvoll und notwendig erachtet.

Im Rückblick auf alle Seminare kann festgestellt werden, dass sich die Workshops als tragender Teil des Austausches etabliert haben, um Einzelthemen vertieft betrachten zu können. Die Teilnahme der Hausspitze des CLSPI machte dies deutlich. Die Veranstaltungsreihe soll auch im Jahr 2016 fortgeführt werden.

Autor: Dr. Michael Klaus