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Chinas Weg zur nachhaltigen Entwicklung: Bildung und integrierte ländliche Entwicklung sind Schlüsselfaktoren

Berufliche (Umwelt-)Bildung und integrierte ländliche Entwicklung waren zentrale Themen des Subforums der Hanns-Seidel-Stiftung während der Eco Forum Global (EFG) Annual Conference 2016 in Guiyang. Chinesische und deutsche Experten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft waren sich einig: Nur durch einen Paradigmenwechsel in der allgemeinbildenden und beruflichen Bildung hin zu einer starken Praxisorientierung sowie durch das Einbeziehen der ländlichen Räume in die Entwicklungspläne kann China sich nachhaltig weiterentwickeln.

China ist der größte CO2-Produzent der Welt. Zeitgleich ist das Reich der Mitte der größte Investor in Grüne Technologien. Bewohner der chinesischen Großstädte leiden heute oft unter einer starken Luftverschmutzung. Trotzdem ist die Anziehungskraft der Megastädte an der Ostküste Chinas für Menschen aus dem ländlichen Raum immer noch ungebrochen. Es stellt sich somit die Frage, wie China seine rapide technologische Entwicklung zukünftig umweltschonender vorantreiben könne, ohne den wirtschaftlichen Aufschwung grundlegend zu behindern. Diese Fragen standen im Zentrum der Diskussionen der EFG Annual Conference 2016, bei der sich über 1.500 Experten aus internationalen Organisationen, Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien in Guiyang, in der südwestlichen Provinz Guizhou, trafen.

Vertreter der Partner und der HSS auf dem Forum

HSS organisiert Subforum zur nachhaltigen Bildung

Zusammen mit deutschen und chinesischen Partnereinrichtungen organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung während der EFG Annual Conference am 9. Juli 2016 ein Subforum über nachhaltige Bildung. Der Fokus lag auf der beruflichen Bildung, da sowohl China als auch Deutschland in diesem Bereich gemeinsame Herausforderungen sehen. Sowohl China als auch Deutschland leiden unter einem zunehmenden Fachkräftemangel. In beiden Ländern ist der Trend zur Akademisierung zulasten der nichtakademischen Berufsbildung vorhanden. Das Fachgespräch wurde von der Delegation der deutschen Wirtschaft, vertreten durch den General Manager der AHK Guangzhou, Christian Engels, moderiert.

Der Hauptgeschäftsführer der Hanns-Seidel-Stiftung, Dr. Peter Witterauf, der an diesem Forum teilnahm, betonte in seiner Impulsrede die Parallelen zwischen Deutschland und China. Für beide Länder sei es von enormer Wichtigkeit, dass genügend gute Fachkräfte ausgebildet würden, die neben der Fähigkeit, innovative technologische Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, auch den Gedanken der nachhaltigen Entwicklung verinnerlicht hätten. Wirtschaftlicher Fortschritt und umweltschonendes Handeln könnten und müssten Hand in Hand gehen, damit die beschränkten Ressourcen des Planeten auch für die zukünftigen Generationen zur Verfügung stünden.

Präsident Prof. Dr. Hong Gang von der Zhejiang International Studies University ergänzte Dr. Witterauf, indem er die Verknüpfung zwischen Lehrerbildung und dem Werteerhalt in der Gesellschaft darstellte. Damit Kinder sich die notwendige Kompetenz zum nachhaltigen und umweltgerechten Handeln schon in jungen Jahren aneigneten, sei es wichtig, Lehrer zu befähigen, handlungsorientierten Umweltunterricht durchzuführen.

Der frühere Stellvertretende Generaldirektor der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization), Dr. Hans d´Orville, stellte in seinem Beitrag fest, dass Bildung maßgeblich dazu beitrage, inwieweit die 17 UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung erreicht würden. Neben dem übergeordneten Ziel, „inklusive, gerechte und hochwertige Bildung zu gewährleisten und Möglichkeiten des lebenslangen Lernens für alle zu fördern“, habe die Generalversammlung der UN 2016 zu den 17 Zielen insgesamt 169 konkretere Zielvorgaben formuliert. So solle z.B. bis 2030 sichergestellt werden, dass alle im Sinne dieses lebenslangen Lernens die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten erhielten, damit sie nachhaltige Entwicklung fördern könnten.

Holger Magel, Christian Büttner, Liu Lixin, Christian Engels, Bernd Seuling und Yang Xieying

Praxisnähe und Attraktivität Schlüssel zum Erfolg

In einer Paneldiskussion zur nachhaltigen beruflichen Bildung betonte Dr. Liu Lixin, stellvertretender Leiter des Central Institute for Vocational & Technical Education (CIVTE), dass eine engere Zusammenarbeit mit Unternehmen und eine praxisnahe Berufsschullehrerausbildung dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken würde.

Dr. Bernd Seuling, Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Shanghai, ging noch einen Schritt weiter. Nach Dr. Seuling müsste die Attraktivität der beruflichen Bildung sowohl in Deutschland als auch in China gesteigert werden. Dies könnte neben einer praxisorientierten Bildung unter anderem durch eine steigende Durchlässigkeit für Absolventen der beruflichen Bildung gewährleistet werden. Zurzeit sei es nur sehr bedingt für chinesische Berufsschüler möglich, an einer Fachhochschule oder an einer Universität weiter zu studieren.

In einem deutsch-chinesischen Pilotprojekt der Hanns-Seidel-Stiftung bestehe für einige Schüler der Shanghai Technical Institute of Electronics and Information (STIEI) die Möglichkeit, an der Fachhochschule Landshut weiter zu studieren, erklärte Prof. Yang Xiuying, Präsidentin der STIEI. Der Ansatz sei in China einzigartig, da von der steigenden Internationalisierung der Bildungslandschaft zurzeit eher Universitäten als berufliche Einrichtungen profitierten.

Auch bei der Weiterqualifizierung der beruflichen Lehrkräfte hat das STIEI eine Vorreiterrolle. In Zusammenarbeit mit der Bildungskommission Shanghai, der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Bayerischen Kultusministerium werden sechsmonatige deutsch-chinesische praxisnahe Fortbildungsprogramme in China und in Deutschland in einem Pilotprojekt umgesetzt. Ein Alleinstellungsmerkmal des Programms: Die Lehrer sind nach ihrem Aufenthalt in Deutschland befähigt, das Niveau einer IHK-Abschlussprüfung der deutschen Auszubildenden zu bestehen. Somit lernen die chinesischen Berufsschullehrer die hohen praktischen und theoretischen Anforderungen einer deutschen Berufsausbildung kennen.

Urbanisierung und ländliche Entwicklung im Gleichgewicht

Für die nachhaltige Entwicklung eines Landes sei ein Gleichgewicht zwischen einer Urbanisierung und der ländlichen Entwicklung von Nöten, betonte Prof. Holger Magel, Sprecher der deutschen Akademien für den ländlichen Raum. Eine nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung sei nicht möglich ohne ländliche Gebiete. Dr. Christian Büttner, Mitarbeiter des Nürnberger Bürgermeisters, stellte beispielhaft fest, wie die Stadt Nürnberg die umliegenden Regionen durch das Konzept „Metropolregion Nürnberg“ in die Entwicklungsprozesse einbeziehe. Es sei wichtig für alle Lernenden, auch die ländlichen Gebiete und deren Voraussetzungen kennenzulernen. Darüber hinaus böten auch die Städte und Gemeinden in der Nürnberger Umgebung Möglichkeiten für eine Dezentralisierung des Hochschulwesens. Es sei nicht sinnvoll, alle tertiären Bildungseinrichtungen in einem Ballungszentrum zu errichten.

Die Hanns-Seidel-Stiftung unterstützt in China mit ihren Projektmaßnahmen die berufliche Bildung, indem sie bedarfsgerechte und praxisorientierte Bildungsgänge entwickelt und die mittlere und höhere Berufs- und Lehrerfortbildung fördert.

Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt in strukturschwachen Regionen Chinas. Dort führt die Hanns-Seidel-Stiftung seit 2015 ein Projekt zur nachhaltigen Umweltbildung an chinesischen Grundschulen durch. Dafür werden in fünf chinesischen Provinzen Lehrer fortgebildet und Kinder mit speziell erstellten Lern- und Lehrmaterialien für nachhaltiges Handeln sensibilisiert.

Autoren: Janne Leino und Dr. Bernd Seuling