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Deutsche Parlamentarier in China
Auf den Spuren einer Entwicklungspartnerschaft für Afrika

Deutschland und China zählen zu den weltweit größten Gebern von Entwicklungshilfe. Zwar stehen Werte und Interessen beider Länder teils miteinander in Konflikt, doch es gibt auch Gemeinsamkeiten. Um Ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden, müssen Deutschland und China sich gemeinsam für eine bessere Zukunft einsetzen.

 

Afrika rückt in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus der deutschen wie auch der chinesischen Außenpolitik. Die Bundesregierung hat im Zuge der Zunahme von Migrationsströmen und deren destabilisierenden Wirkungen auf die politische Architektur Deutschlands und Europas die Bekämpfung von Fluchtursachen zur außenpolitischen Priorität erklärt.

China investiert unterdessen immer größere Summen in die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Noch im September 2018 fand in Peking ein Gipfeltreffen statt, an dem 52 der insgesamt 53 Staaten Afrikas teilnahmen. Den anwesenden Staats- und Regierungschefs versprach Präsident Xi Jinping Hilfen und Entwicklungskredite in einer Gesamthöhe von 60 Milliarden US-Dollar über die kommenden drei Jahre.

Der Hafen von Ningbo

Gegenseitiges Verständnis als Kooperationsgrundlage

China und Deutschland verfolgen unterschiedliche entwicklungspolitische Ansätze. Traditionell legt China einen Schwerpunkt auf Infrastrukturentwicklung, Deutschland konzentriert sich auf die Förderung von Ausbildung und guter Regierungsführung. Diese ungleichen Konzepte können miteinander konkurrieren oder sich ergänzen. Entscheidend ist der politische Wille.

Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China in Afrika ist ein umfassendes Verständnis der gesellschaftlichen und politischen Situation in allen beteiligten Staaten. Die HSS kann hier als Mittlerorganisation mit Projektbüros in China und Afrika einen wichtigen Beitrag leisten.

Um in Deutschland und China das Verständnis für die Afrikapolitik des jeweils anderen Landes zu erhöhen, lud die HSS im Juli 2018 gemeinsam mit der chinesischen Freundschaftsgesellschaft eine dreiköpfige Delegation deutscher ParlamentarierInnen in die Volksrepublik ein.

Die Bundestags- und Landtagsabgeordneten nahmen nicht nur an akademischen und politischen Austauschveranstaltungen in Peking und Shanghai teil, sondern besuchten auch Infrastruktur- und Entwicklungshilfeprojekte in den Städten Xi'an und Ningbo.

Die gut 200 Kilometer südlich von Shanghai gelegene Küstenstadt Ningbo verfügt über einen der größten Seehäfen der Welt. Als wichtiger Ausgangspunkt von Chinas neuer „maritimer Seidenstraße“ zieht die Stadt eine wachsende Zahl afrikanischer Händler und Studierender an. In einer beruflichen Schule in der Nähe des Hafengeländes lernten die ParlamentarierInnen ein Projekt für die berufliche Fortbildung afrikanischer Hafenarbeiter kennen.

Der Besuch veranschaulichte, wie China in den letzten Jahren zunehmend auch die Ausbildung junger Menschen und künftiger Eliten fördert. Zwar liegt der entwicklungspolitische Schwerpunkt weiterhin im Bereich Infrastruktur, doch Chinas Engagement für Afrika entwickelt sich stetig weiter. Daher ist es unverzichtbar, dass sich politische Entscheidungsträger zeitnah, und wann immer möglich direkt vor Ort, mit neuen Entwicklungen vertraut machen.

Deutschlands „Marshallplan mit Afrika“

„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel und müssen begreifen, dass Afrika nicht der Kontinent billiger Ressourcen ist, sondern die Menschen dort Infrastruktur und Zukunft benötigen.“ So umriss Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller den Grundgedanken einer neuen Entwicklungspartnerschaft im Rahmen des 2017 vorgelegten „Marshallplans mit Afrika“.

Deutschland will als Partner auf Augenhöhe auftreten und die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas fördern. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen bessere Rahmenbedingungen für private und öffentliche Investitionen geschaffen werden. Dazu gehören neben Bildung und wirtschaftlicher Stabilität auch Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit: Ziele, die sich die afrikanischen Staaten in der Agenda 2063 der Afrikanischen Union selbst gesteckt haben und bei deren Erreichung Deutschland behilflich sein will.

So wurden 2017 drei sogenannte „Reformpartnerschaften“ mit der Elfenbeinküste, Tunesien und Ghana unterzeichnet. Die Partnerländer verpflichten sich zu konkreten Fortschritten in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie in einigen wirtschaftlichen Schlüsselsektoren. Im Gegenzug erhalten sie zusätzliche finanzielle Unterstützung, um die vereinbarten Reformen umzusetzen.

Deutschland wird in den nächsten Jahren die finanziellen Mittel zur Förderung afrikanischer Staaten deutlich erhöhen, die Hilfen sind aber an politische Konditionen gebunden, um einen effektiven Mitteleinsatz und größtmögliche Nachhaltigkeit zu erreichen. Deutschland beharrt auf Werten und Regeln, nicht um Afrika das eigene Weltbild aufzwängen, sondern um den Menschen in Afrika ein besseres Leben zu ermöglichen.

Diese Konditionalität deutscher Entwicklungshilfe steht im direkten Gegensatz zur chinesischen Vorgehensweise. Frau Dr. Jin Ling vom China Institut für Internationale Studien erklärte im Gespräch mit den CSU-PolitikerInnen, in empirischen Studien kaum einen Nutzen politischer Konditionalität von Entwicklungshilfe festgestellt zu haben. Zwar strebe auch China Rechtstaatlichkeit an, doch schon aus Prinzip mische man sich nicht in die souveräne Entscheidung der Empfängerstaaten ein, wie rechtstaatliche Grundsätze umzusetzen sind.

Chinas „Neue Seidenstraße“

Chinas Entwicklungshilfe für Afrika basiert laut Staatspräsident Xi Jinping auf fünf Grundsätzen, nämlich der „Nichteinmischung in die freie Wahl des Entwicklungspfades, der Nichteinmischung in die interne Politik, der Nichtaufdrängung des eigenen Willens, der Abwesenheit politischer Konditionalität sowie der Abwesenheit des Strebens nach politischem Eigeninteresse in der Investitionsfinanzierung“.

In weitgehender Abwesenheit politischer Vorbedingungen an die Empfängerstaaten konnte Chinas Entwicklungshilfepolitik in den letzten Jahren immer weiter expandieren. Mehr und mehr Projekte fasst China dabei unter dem Dach seiner Seidenstraßeninitiative zusammen. In diesem Zusammenhang wirbt Peking aktiv für eine stärkere deutsche Unterstützung. Am Ausgangspunkt der historischen Seidenstraße in der antiken Hauptstadt Xi'an wurde der Delegation daher ein Güterbahnhof präsentiert, von dem aus heute Züge über Zentralasien und Osteuropa bis nach Duisburg fahren.

Die neue maritime Seidenstraße führt indes direkt nach Afrika. Dort sieht sich China immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, vor allem an Rohstoffen interessiert zu sein. Tatsächlich jedoch diversifiziert China in den letzten Jahren seine wirtschaftlichen Aktivitäten zunehmend und betont, künftig noch mehr in Afrika hergestellte Fertigwaren zu importieren, um auf diese Weise nach und nach seine deutlichen Exportüberschüsse abzubauen.

Kritik, dass China bei Großprojekten vor allem eigene Arbeiter beschäftige und bei Infrastrukturprojekten negative ökologische Folgewirkungen in Kauf nehme, konnten die Afrikaexperten des Instituts für Internationale Studien nicht ganz entkräften. Gleichzeitig betonten sie die Fortschritte, die China in den letzten Jahren gemacht hat. So achten heute vor allem staatseigene Betriebe bereits sehr genau auf die Einhaltung von Umweltschutzrichtlinien. Auch im Bereich der medizinischen Hilfe und Ausbildung sei China sehr aktiv und gerade für die Bekämpfung von Ebola habe man viel getan.

In China sind viele Beobachter überzeugt, dass Deutschland in Effizienzfragen vieles von China lernen könnte, denn gerade die Infrastrukturprojekte bringen großen volkswirtschaftlichen Nutzen und zahlreiche neue Arbeitsplätze.

Zeit für neue Wege – gemeinsam mehr erreichen

Sowohl Deutschland als auch China haben sich also viel vorgenommen, um Afrika zu helfen. Damit der Kontinent nicht zum Spielball geopolitischer Interessenskonflikte wird, müssen alle verantwortungsvollen Akteure der Weltpolitik miteinander reden und zusammenarbeiten. Neben der Stärkung demokratischer Strukturen ist Deutschland vor allem an politischer Stabilität und wirtschaftlichem Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent gelegen. Die Förderung von Stabilität und Wachstum bilden die gemeinsame Schnittmenge von Deutschlands und Chinas Interessen in Afrika.

Kooperation bietet sich vor allem bei globalen Herausforderungen wie Klimaschutz sowie ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit an. So können beispielsweise gemeinsame Ausbildungsprojekte eine wichtige Rolle spielen.

Um eine institutionalisierte Zusammenarbeit anzustoßen, gründeten Entwicklungsminister Müller und der chinesische Handelsminister Zhong Shan im Mai 2017 unter Teilnahme der HSS in Peking ein Deutsch-Chinesisches Zentrum für Nachhaltige Entwicklung. Ziel ist der Aufbau einer umfassenderen gegenseitigen Abstimmung und Kooperation bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit in Drittstaaten.

Müller betonte, dass die deutsch-chinesische Zusammenarbeit China dabei helfe, seine Investitionen noch nachhaltiger einzusetzen, während Deutschland durch die Kooperation noch mehr Menschen erreichen könne.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist ein tieferes gegenseitiges Verständnis. Nur so können gemeinsame Ziele gemeinsam erreicht werden. Die HSS wird den entwicklungspolitischen Dialog weiter fördern und die Suche nach neuen Wegen aktiv vorantreiben.

Autor: Dominik Sprenger