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Dritte Summer School in Xi'an 2019
Experten tauschen sich zur Revitalisierung ländlicher Räume aus

Am 1. Juli 2019 wurde die dritte Summer School in der alten Kaiserstadt Xi’an eröffnet. Sie wurde gemeinsam von der Hanns-Seidel-Stiftung Repräsentanz Shandong (HSS), School für Public Administration und Politik der Renmin Universität (SPA) sowie der Lin Zengjie Land Science Development Foundation organisiert. Zielgruppe waren wieder Entscheidungsträger aus Verwaltung und Wissenschaftler. Das Thema in diesem Jahr lautete „Aspects of Vitalization of Rural Areas and sustainable Use of Natural Resources from Theory to Action“.

 

Namhafte Professoren und Experten aus Deutschland und China sind nach Xi’an gereist, um Vorträge zu halten, und mit den Teilnehmern und ihren akademischen Kollegen über die neue Entwicklung im Bereich ländliche Revitalisierung zu diskutieren. Mehr als 120 Teilnehmern haben sich angemeldet, aber nur 109 konnten aus räumlichen und organisatorischen Gründen eine Zusage zur Teilnahme bekommen. Die Nachfrage zur Teilnahme zeigt, dass sich diese Veranstaltungsreihe von HSS und SPA in Fachkreisen etabliert hat. Die Teilnehmer haben einen unterschiedlichen Arbeitshintergrund, sie kommen aus Universitäten, staatliche Behörden, Firmen, Forschungsinstituten, NGO‘s usw. Aber sie haben auch eine Gemeinsamkeit: Sie interessieren sich für die Entwicklung im ländlichen Raum und sie arbeiten auch dafür.

Professor Magel hält seinen Vortrag

Ein vielfältiges Angebot für alle Teilnehmer!

Am ersten Tag fand die Eröffnungszeremonie statt. Dr. Michael Klaus, Chefrepräsentant der Hanns-Seidel-Stiftung Shandong Office, Frau JIAO Lili, Vize-Parteisekretärin des Amtes für Natürliche Ressourcen Xi’an, Frau ZHANG Xiuzhi, Vertreter der Linzengjie Stiftung und Herr XU Jingyang, Vize-Parteisekretär der School für Public Administration and Policy, Renmin Universität haben als Vertreter der Veranstalter und Mitveranstalter jeweils eine Begrüßungsrede gehalten.

 

Nach der Eröffnungszeremonie kam die Keynote von Univ.-Prof. EoE Dr. Ing. Holger Magel. Der Vortrag mit dem Thema „Current Aspects of Rural Vitalization and Development in China and Germany – Where can we learn from each other?“. Er zog die Teilnehmer mit der traditionellen Philosophie „Harmonie“, „Tianxia Yijia“ (Unter dem Himmel gehören wir alle zu einer Familie)“, und „Menschliche Schicksaalgemeinschaft“ sofort in seinen Bann. Er verglich Deutschland und China und kam zu dem Schluss, dass Deutschland und China viele Gemeinsamkeiten haben, und beide Länder im Bereich Entwicklung ländlicher Räume mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert seien. Dabei verband er beide Länder mit 11 gemeinsame Herausforderungen und Interessen, darunter unter anderem Ungleiche Entwicklung in Stadt und Land, Steigender Flächenverbrauch, Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie, Fehlender Arbeitsplatz im ländlichen Raum, Schaffung gleichwertiger Lebensbedingung in Stadt und Land. Zum Schluss betonte er noch einmal eindringlich, dass Geld nicht alles ist, und es im ländlichen Raum noch wertvollere Dinge gibt, wie z.B. Heimatsgefühl und Harmonie, die in China auch viel zählen. Seine Feststellung dass Harmonie zwischen Mensch und Natur die Essenz chinesischer Philosophie ist, und stieß auf große Begeisterung.

Raumordnung gehört für das Ministerium für Natürliche Ressourcen, Kooperationspartner des Repräsentanz Büros Shandong, Hanns Seidel Stiftung zu den wichtigsten Arbeitsbereichen. Dr. Klaus, Gastprofessor an der Renmin Universität, widmete sich mit diesem Thema. In seinem Vortrag stellte er Rahmenbedingen für Raumordnung in Deutschland vor, und erklärte den Teilnehmern zwei wichtige Konzepte –Dezentralisierte Konzentration und das Zentrale-Orte System, als Handlungsleitung für die Raumordnung. In der Folge hat er das Planungssystem in Deutschland mit vielen Beispielen detailliert vorgestellt, und zeigte, warum Raumordnung eine solide Basis für gleichwertige Lebensbedingen in Stadt und Land bildet. Deutsche Raumordnung ist ein Vorbild für das Planungssystem in China: Der Vortrag von Dr. Klaus löste eine lebhafte Diskussion darüber aus, wie deutsche Erfahrungen bei der Gesetzgebung des chinesischen Raumordnungsgesetzes eingesetzt werden können.

Professor Klaus von der Hanns-Seidel-Stiftung

Am Nachmittag hielt Dr. ZHANG Hui vom China Land Surveying and Planning Institute (CLSPI) einen Vortrag über die Reform des chinesischen Planungssystems. Sein Vortrag fokussierte sich auf die neue Regelung in China –der stätischen Erschließung Grenzen setzen, um den ländlichen Raum vor wachsender stätischer Entwicklung zu schützen. Außerdem nahm das Thema Umweltverträglichkeitsprüfung Raum in seinem Vortrag ein. Den Abschluss des ersten Tages bildete der Vortrag von Prof. LIU Shouying, Dekan der Wirtschaftsabteilung der Renmin Universität. Als berühmter Wirtschaftswissenschaftler setzte er sich in seinem Vortrag mit dem Thema „Ländliche Struktur und Revitalisierung“ auseinander. „Ländlicher Raum hat seine eigene Struktur. Als diese Struktur zerstört wurde, gab es eine Krise im ländlichen Raum, die sich z.B. in Landflucht, Leerstand äusserte. Um Revitalisierung zu realisieren, soll die Funktion des  ländlichen Raums und seine Struktur wiederhergestellt werden.“, so Prof. LIU.

Professor Kirk redet über Eigentumsrechte

Raumplanung, Bodenmarkt und Eigentumsrecht waren Hauptthemen des zweiten Tages. Univ.-Prof. Dr. Michael Kirk von der Justus Liebig Universität in Marburg hat zwei Vorträge gehalten. In seinem ersten Vortrag setzte er sich mit dem Themenbereich „Land und nachhaltige Nutzung Natürlichen Ressourcen“ auseinander. Land ist nicht nur eine wertvolle natürliche Ressource, sondern auch ein soziales und ökonomisches Thema. Ein solides Eigentums- oder Nutzungsrecht und mögliche Übertragungen bilden eine Basis für Entwicklung ländlicher Räume. Es unterliegt aber auch Änderungen aufgrund Demographischem Wandels, Wirtschaftsentwicklung, Urbanisierung, Energiepreis usw. Um eine stabile Entwicklung zu gewährleisten ist zudem Land Governance unerlässlich. Der zweite Vortrag von Prof. Kirk konzentriert sich auf Bodenmärkte, insbesondere  im Bereich Pacht und Pachtmärkte. Eine gesunde Entwicklung des Pachtmarkts trägt zur Stärkung der Landwirtschaft und der Entwicklung ländlicher Räume bei. Es gibt unterschiedliche Pachtsysteme in verschiedenen Länder. In diesem Bereich erleben wir in China gerade eine mit hohen Erwartungen verbundene Bodenreform. Die Diskussion zu diesem Thema war sehr intensiv. Ob eine Wende, vor allem in der Frage des privaten Landbesitzes kommt, ist nicht in Sicht. Aber eines ist klar: das aktuelle Landbesitzsystem wird gelockert.. Der ländliche Raum in China braucht auch einen vollständigen Pachtmarkt, um Landnutzungseffizienz zu erhöhen, große brachliegende Agrarflächen wieder zu nutzen und Landflucht zu stoppen.

 

Exkursion im Weinbauerlebnispark

Von chinesischer Seite waren zwei Vorträge zu diesem Themenkomplex im Programm. Dr. XIA Fangzhou, Assistenz Professor der Renmin Universität setzte sich in seinem Vortrag mit dem Thema „hochqualitative Flächennutzung“ auseinander. Der Statistik zufolge gebe es in China in vielen Städten einen Überschuss an Wohnungen. Eine zentrale Forderung in seinem Vortrag war, dass die Flächennutzung in China in der Zukunft nicht mehr quantitativ sondern mehr qualitativ sein solle. Am Nachmittag hielte Dr. ZHANG Qingyong, Assistenz Professor ebenfals von der Renmin Universität einen Vortrag über Grundstückserwerb in China. In einer kritischen Auseinandersetzung gab er viele Beispiele, auf welche Weise Ackerland zuBauland deklariert wurde und die Bauer gegen Zahlung einer Entschädigung zum Verlassen des Landes genötigt wurden. Die Beispiele und die Erläuterungen wurden von den Teilnehmern mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt und mit viel Beifall belohnt.

 

Am dritten Tag konzentrierten sich die Professoren und Experten auf die Praxis. Der Vortrag von Dr. Klaus war „Integrierte ländliche Entwicklung in Deutschland - Anpassung an China“. Als langjähriger deutscher Expert in China hat er reiche Erfahrungen im Bereich der Raumordnung, Flurneuordnung, Dorferneuerung und Landentwicklung in China und Deutschland. Auf Basis seiner langjährigen Erfahrungen hat er Probleme im ländlichen Raum beider Länder verglichen, und das Pilotprojekt der HSS in Jinyuan, Sichuan als Beispiel für Übertragung deutscher Erfahrungen in China präsentiert.

Podiumsdiskussion

Herr WU Zejiang, Hauptgeschäftsführer der Huadi Survey & Design and Consulting Co. Ltd, stellte in seinem Vortrag mit Wort und Bild viele Dorferneuerungsbeispiele in Xi'an vor. Einige Bespiele durften die Teilnehmer am nächsten Tag bei der Exkursion mit eigenen Augen sehen.

 

Am Nachmittag hat Willi Zimmermann als erfahrungsreicher internationaler Expert im Bereich Land Governance einen Vortrag „Good Land Governance and Development of Rural Areas, Twins or divided worlds?“ gemacht. Good Land Governance habe sechs Elemente: Rahmenbedingungen für internationale Zusammenarbeit; Gleichgewicht zwischen Stadt und Land; integrierte ländliche Entwicklung; nachhaltige Nutzung der Landressourcen; Bekämpfung von „Land Grabbing“ und Landspekulation; sowie transparente Verwaltung. Um „Good Land Governance“ zu realisieren seien Bildung und Fachleute erforderlich. Prof. ZHANG Lei, Renmin Universität, hat in seinem Vortrag die Raumplanung in Tokio als Beispiel genommen und schlug vor, auch aus dem japanischen Planungssystem zu lernen. Der Vortrag bildete den Abschluss des dritten Tages.

 

Auch der Mitveranstalter, die Firma Huadi engagierte sich aktiv bei der Programmgestaltung. Am Donnerstag hat sie die Teilnehmern mit einer Exkursion zu drei Pilotprojekte der Firma begeistert. Die drei Projekte befinden sich alle im Einzugsbereich von Xi’an. Im ersten Projekt hat ein Investor leerstehende Häuser von den Bauern eines Dorfs gemietet, renoviert und den städtischen Leuten als Ferienwohnungen zur Verfügung gestellt. Das zweite Projekt ist ein moderner landwirtschaftlicher Betrieb, in dem neue Gemüsesorten entwickelt und Bio Obst und Gemüse angebaut wurden. Beim dritten Projekt handelt es sich um ein Weinbauerlebnispark, in dem verschiedene Weintrauben angebaut und Wein erzeugt wurde. Außerdem gibt es in diesem Park Freizeit und Erholungsmöglichkeiten mit Weintrauben zum selber-pflücken. Die drei Pilotprojekte haben ähnliche Entwicklungsgedanken: Um ländliche Revitalisierung zu realisieren, braucht der ländliche Raum außer einer moderner Landwirtschaft auch Industrie und Dienstleistung, die Arbeitsplätze schaffen und den lokalen Einwohner Einkommensquellen bringen.

Nach vielen Vorträgen in den ersten drei Tagen und der Exkursion am Donnerstag stand der fünfte Tag im Zeichen der Diskussion und Zusammenfassung. Prof. YANG Donglang aus Xi’an Jiaotong Universität und Prof. LAN Feng aus Xi’an Universität für Architektur und Technik haben vor der Podiumsdiskussion zwei kleine Impulsvorträge gegeben. Als Moderatoren haben Dr. Klaus und Prof. Qu Weidong deutsche und chinesische Professoren aufs Podium gebeten und eine lebendige Diskussion mit hochaktuellen Themen geleitet. Mit reger Beteiligung der Teilnehmer wurden über Wettbewerbsfähigkeit ländlicher Räume, Transfersystem, Steuerungssystem, Beratungsmöglichkeit für Bauer, Armutsbekämpfung, Verteilungsproblem, Goverance, Bodenreform usw. diskutiert.

 

Zusammenfassung

um Schluss hat Prof. Magel als Konferenzdirektor eine Zusammenfassung mit insgesamt acht Punkten gemacht: Gemeinsame Herausforderungen im Ländlichen Raum beider Länder; neuer Entwicklungstrends; Landwirtschaft, Landmarkt und Land Governance; Stadt-Land-Partnerschaft; Grundstückerwerb; Zuversicht für ländliche Revitalisierung; „think out of the box“; sowie Seele und Gefühl als Leitgedanken für eine erfolgreiche Entwicklung ländlicher Räume.

 

Zum Ende der Veranstaltung hat Prof. Magel die Frage beantwortet, warum er für ländlichen Raum in China arbeitet: Weil wir unter dem gleichen Himmel leben. Mit diesem philosophischen Satz hat er den Sommerkurs 2019 mit viel Applaus abgeschlossen.

 

Die Teilnehmer waren mit der Veranstaltung sehr zufrieden. Nach der Zusammenfassung haben sich viele Teilnehmer für das interessante Programm und die Diskussionen, die Ihnen geboten wurden, bedankt. Sie konnten nach eigenem Bekunden vieles an Erkenntnissen mit nach Hause nehmen und wollen diese Gedanken in ihre eigene Arbeit einfließen lassen. Wenn der Sommerkurs auch im Jahr 2020 stattfindet, möchten sie auch daran teilnehmen.

 

Autor: ZHANG Wenjun