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Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet
Online-Konferenz mit der Universität der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften

Am 20. November 2021 organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) zusammen mit der Universität der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (UCASS) eine Online-Konferenz, bei dem sich deutsche und chinesische Experten darüber austauschten, wie Deutschland und China Kinderpornographie im Internet bekämpfen. Ziel war es, durch den Austausch über die verschiedenen Ansätze und durch die Beteiligung von Juristen und Experten aus der Praxis für beide Seiten neue mögliche Lösungsansätze zu finden, um den Schutz von Kindern in beiden Ländern zu stärken.

Die Zusammenarbeit zwischen der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) und der Universität der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (UCASS) kann bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken und steht im Kontext des Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatsdialogs. Der Bereich Jugendstrafrecht bildet dabei seit jeher einen ganz besonderen Schwerpunkt. Dass es notwendig ist, sich in Zeiten von zunehmenden gesellschaftlichen und technischen Veränderungen international auszutauschen, zeigt der Blick auf zwei der großen Entwicklungen unserer Zeit - Globalisierung und Digitalisierung.  Infolge dieser Entwicklungen entstehen neue Bereiche, die gesetzlich reguliert werden müssen. Kinderpornographie ist zwar keineswegs neu, aber mit der Verbreitung des Internets hat diese Art der Kriminalität zunehmend an Dynamik gewonnen. Um die Rechtsgrundlagen und Möglichkeiten der Prävention und Strafverfolgung von Kinderpornografie in Deutschland zu erklären, wurden Oberstaatsanwalt Dr. Thomas Goger (Leiter des Zentrums zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet in Bamberg) und Prof. Hans Kudlich (Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie der Univ. Erlangen-Nürnberg) eingeladen. Die chinesischen Regelungen und Maßnahmen wurden von Prof. Lin Wei, Prof. He Qingren (beide UCASS), Prof. Wang Zhikun (Leiter des Forschungsinstituts der Pekinger Staatsanwaltschaft) und Frau Jiang Nan (Bytedance) geschildert.

Die wichtigsten Strafnormen und praktischen Maßnahmen in Deutschland

In Ihren Ausführungen erklärten Prof. Kudlich und Dr. Goger sowohl aus rechtlicher als auch aus praktischer Sicht, wie Deutschland gegen Kinderpornografie vorgeht. Diese, so Dr. Goger, findet heutzutage (nahezu) ausschließlich im Internet, und hier vor allem im Darknet, statt. Sie stellt einen sexuellen Missbrauch von Kindern dar und macht für die erfolgreiche Bekämpfung technisches Spezialwissen unerlässlich. Aus diesem Grund wurde im Oktober 2020 das „Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch im Internet“ (ZKI) unter dem Dach der Zentralstelle Cybercrime Bayern gegründet. Dass dies dringend notwendig war, lässt ein Blick auf die Zahlen erkennen: Gab es 2019 noch 947 Verfahren gegen bekannte Täter, waren es bis zum 13.10.2021 bereits 2.350 Verfahren. Anhand einiger eindringlicher Beispiele veranschaulichte Dr. Goger, um welche Fälle es sich dabei handeln kann - vom Versenden kinderpornografischer Bilder und Videos über WhatsApp bis zum Anstiften von sexuellen Handlungen zwischen Kindern per Skype.

Bei solchen Strafverfahren ist Paragraph 184b des Strafgesetzbuchs (StGB), welcher Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte unter Strafe stellt, die zentrale Strafnorm, erklärte Prof. Kudlich. Bevor diese Vorschrift im Jahr 2003 geschaffen wurde, war spezifisch die Verbreitung von Kinderpornographie – wenngleich in einer knappen und weniger ausdifferenzierten Form – als Abs. 3 im allgemeinen Pornographietatbestand des § 184 StGB erfasst. Auch schon aus dieser Zeit stammt die Regelung in § 6 Nr. 6 StGB, nach welcher die Verbreitung von Kinderpornographie unter das so genannte „Weltrechtsprinzip“ fällt. Deutsches Strafrecht ist hiernach auf alle Taten weltweit anwendbar, welche die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen, unabhängig davon, ob Tathandlung oder Taterfolg im Inland eingetreten sind.

In seiner aktuellen, seit dem 1.7.2021 geltenden Fassung stellt § 184b StGB in seiner zentralen Nr. 1 des 1. Abs. die Verbreitung oder das öffentliche Zugänglichmachen eines kinderpornographischen Inhalts unter Strafe. Ein solcher Inhalt wird wie folgt definiert:

  • sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter 14 Jahren,
  • die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder

die sexuell aufreißende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder unbekleideten Gefäßes eines Kindes

Soweit der kinderpornographische Inhalt ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, ist auch das Zugänglichmachen oder die Besitzverschaffung an eine einzelne Person in Nr. 2 unter Strafe gestellt. Bei einem kinderpornographischen Inhalt der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, sind laut Nr. 3 auch seine Herstellung und laut Nr. 4 die Vorbereitungshandlungen strafbar. Mit „Inhalten“ sind nach der Legaldefinition in § 11 III StGB solche Darstellungen gemeint, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind. Durch die Erfassung auch von Inhalten „in Datenspeichern“ und die ebenfalls in der Legaldefinition genannte Übertragung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik seit 2021 wird insbesondere auch Kinderpornographie erfasst, welche über das Internet verbreitet wird. Der Paragraph 184b StGB enthält zudem noch diverse weitere Spezifikationen wie zum Beispiel eine Strafschärfung bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung (Abs. 2) oder einen Ausschluss der Strafbarkeit, wenn bestimmte Tathandlungen als Teil staatlicher Aufgaben oder beruflicher Pflichten begangen werden, so wenn etwa eine Datenbank mit entsprechenden Abbildungen bei einer Polizeidienststelle geführt wird (Abs. 5).

 

Strafbar sind allerdings nicht nur Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinder-, sondern auch von jugendpornographischen Inhalten (über 14 aber unter 18 Jahren). Auch § 184c I Nr. 2 - 4 sind den Regelungen des § 184b StGB nachgebildet, nur dass die abgebildeten Personen keine Kinder, sondern Jugendliche sind. Andererseits wurde ein unterschiedlicher Unrechtsgehalt gesehen, der insbesondere in einem herabgesetzten Strafrahmen deutlich wird. Weitere, in erst der jüngeren Zeit ins StGB aufgenommene Tatbestände in diesem thematischen Umfeld bilden § 184l StGB, der das Inverkehrbringen, den Erwerb und auch den Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe stellt, sowie § 176e StGB zur Verbreitung und zum Besitz von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern.

 

Heutzutage ist die Verbreitung von Kinderpornographie im Wesentlichen eine Domäne des Internet. Dies führt zu der Frage, wie die verschiedenen Funktionsträger im Rahmen des Netzes hier gegebenenfalls zur Verantwortung gezogen werden können. Historisch begann in Deutschland die Diskussion um die Verantwortung verschiedener Internet-Provider ungefähr in der Mitte der 1990er Jahre. In der Zeit entstand die „Verantwortlichkeitsregel“ in § 5 des damaligen Teledienstegesetzes (TDG). Dieser Paragraph stellte dabei – ebenso wie die heute geltenden Nachfolgevorschriften – eine allgemeine „Vorfelderregelung“ dar, die grundsätzlich in allen Rechtsgebieten in gleicher Weise zu berücksichtigen ist. Hierin unterscheidet sich die deutsche Regelung zur Providerverantwortung von der Rechtslage in China, wo eher rechtsgebietspezifische, insbesondere zivilrechtliche Privilegierungsregelungen für bestimmte Arten von Providern bestehen, über deren Übertragbarkeit ins Strafrecht diskutiert werden muss.

Das geltende Verantwortlichkeitsregime unterscheidet nach den Funktionen, denen typischerweise bestimmte Kontrollmöglichkeiten zugeschrieben werden. So handelt der sogenannte „Content-Provider“, d.h. diejenige Person, die selbst Inhalte im Internet einstellt, für die eigene Inhalte nach den allgemeinen Grundsätzen, d.h. es besteht hier eine Parallelität zwischen Offline- und Online-Haftung. Auch für „Internet-Provider“ bestehen grundsätzlich keine eigenen proaktiven Kontrollpflichten - gesetzliche oder auch behördliche Sperrverfügungen sind aber grundsätzlich zu beachten. Demgegenüber besteht grundsätzlich keine Haftung für die bloße Übermittlung, und zwar einschließlich übermittlungsbedingter kurzer Zwischenspeicherungen. Anderes ist es aber, wenn die konkrete Übermittlung veranlasst oder Adressaten bzw. Informationen ausgewählt oder verändert wurden. Ebenfalls keine Haftung besteht für die so genannten „Cash-Provider“, bei denen Inhalte temporär gespeichert werden, um bei einem erneuten Abruf eine schnellere Bereitstellung zu ermöglichen. Paragraph 10 des Telemediengesetzes (TMG) enthält schließlich ein „Notice and Take down Procedure“ für Hostprovider. Daraus folgt, dass auch diejenige Person, auf deren Server ein kinderpornographischer Inhalt gespeichert wird, nicht automatisch haftet, sondern nur, wenn er von dem illegalen Inhalt erfährt und nicht einer umgehenden Löschungsaufforderung nachkommt.

Eine relativ neue Vorschrift, die im StGB selbst Platz gefunden hat, betrifft die Haftung bei kriminellen Handelsplattformen im Internet nach § 127 StGB. Hiernach wird derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, der eine Handelsplattform im Internet betreibt, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten zu ermöglichen oder zu fördern. Die Strafbarkeit ist hier subsidiär und greift nur ein, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.

Wenn auch nicht notwendig hinter jedem kinderpornographischen Bild, so steht doch hinter vielen Abbildungen auch ein Missbrauch dieses Kindes. Überdies erscheint nicht ausgeschlossen, dass für Täter mit einschlägigen Vorlieben kinderpornographische Abbildungen einen Anreiz bilden können, selbst entsprechende Taten zu begehen.

Gleichwohl wäre es naiv zu glauben, dem Problem nur allein mithilfe des Strafrechts beikommen zu können. Nicht weniger wichtig sind Bemühungen auch um außerstrafrechtliche Aufklärungs-, Abschreckungs- und Präventionsmaßnahmen, auf die Dr. Goger detailliert einging. Solche finden auf breiter Ebene statt: Eine spezifische Initiative etwa des bayerischen Justizministeriums in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium ist die Aktion „Mach dein Handy nicht zur Waffe“. Kernanliegen der Aufklärungsaktion ist es, auch bereits Kindern und Jugendlichen deutlich zu machen, dass sie mit den Inhalten auf ihren Mobiltelefonen bzw. durch deren Weitergabe einerseits Schaden anrichten, sich andererseits aber gegebenenfalls strafbar machen können (bzw. dass selbst bei einer fehlenden Strafbarkeit von Kindern etwa eine Einziehung des Telefons droht). In eine ähnliche Richtung geht die Aufklärungskampagne „dein Smartphone, deine Entscheidung“, innerhalb derer nicht nur allgemeine Informationen zur Verfügung gestellt werden, sondern etwa auch Elternbriefe der Polizei heruntergeladen werden können, die über die Schulen an die Eltern von Grundschuldkindern weitergegeben werden können.

Neben solchen staatlichen Kampagnen gibt es auch verschiedene Ansätze zur Initiativen in der Industrie. Im Sommer 2021 hat hier die Ankündigung der Firma Apple für Aufregung gesorgt, mit einer neuen Version des Betriebssystems iOS eine Software zu einem Bildabgleich auf die Endgeräte zu überspielen, die kinderpornographische Inhalte entdecken soll. Aufgrund der Kritik nicht weniger Sicherheitsexperten und Datenschützer wurde dann jedoch im September entschieden, die umstrittene Software vorerst doch nicht einzuführen. Gerade dies letztgenannte Beispiel zeigt auch den mitunter problematischen Interessenkonflikt zwischen einer möglichst effektiven Bekämpfung illegaler Inhalte und den Anforderungen des Datenschutzes.

Allgemeinerer Ansatz in China mit harten Strafen

Deutschlands gezielte Antworten auf die zunehmend im Internet/Darknet ausgeübte Kinderpornografie würden laut Prof. Wang und den weiteren chinesischen Rednern durchaus Anregungen für China liefern. Vor allem im Bereich der außerstrafrechtlichen, präventiven Maßnahmen. So erscheint die Gründung einer mit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch in Bayern vergleichbaren Einrichtung auch in China durchaus vielversprechend. Allgemein formuliert befinden die Experten, dass China Gesetzgebung für weitere Schritte die richtigen Impulse aus der Politik braucht. Aktuell wird nicht speziell gegen Kinderpornografie, sondern allgemein gegen die Verbreitung von pornografischen Inhalten vorgegangen. In sehr drastischen Fällen können Straftaten sogar mit lebenslanger Haft geahndet werden.

Genau wie Deutschland steht China bei der Strafverfolgung aber natürlich vor vielen Herausforderungen. Da ist zum einen das Problem, das viele illegale Inhalte über Server im Ausland hochgeladen werden, was die Verfolgung der Straftäter ungemein erschwert. Frau Jiang Nan von Bytedance (Mutterkonzern des auch in Deutschland beliebten TikTok) gewährte Einblicke aus ihrer Praxiserfahrung, mit denen sie verdeutlichte, wie schwer es Konzerne haben, selbst wenn sie proaktiv gegen solche Straftaten vorgehen möchten. Erschweren kommen Handlungen, die als „soft porno“ bezeichnet werden dazu. Dabei geht es vordergründig um harmlose Inhalte (z.B. Unterwäschewerbung), doch versuchen die Anbieter z.B. über Chatfunktionen die Nutzer (Kinder) auf andere Plattformen zu ziehen, um sie dort zu sexuellen Handlungen zu bringen. Wichtig, so mahnte Prof. Wang, sei es, möglichst frühzeitig einzugreifen und zum Beispiel Provider zur Speicherung privater Daten zu verpflichten – auch wenn dies in manchen Fällen die Privatsphäre der Nutzer verletzen könnte. Deshalb sei es genauso wichtig, bei solchen Maßnahmen verhältnismäßig vorzugehen. Ein weiteres Problem ist, die Grenze zu finden, ab wann etwas Kinderpornografie darstellt und bis wann etwas „harmlos“ ist. Ein Blick in die Kunstwelt verdeutlicht, wie schwierig das sein kann. In der Kunst wird häufig mit provokativen Bildern und Stilmitteln gearbeitet – sollte man daher zum Beispiel eine Kunstfigur wie „Lolita“ verbieten? Natürlich konstituieren auch kleine Kinder, die im heißen Sommer unbekleidet im Garten spielen, nicht automatisch einen Akt der Kinderpornografie. 

Das Internet ist, wie auch bei anderen Straftaten wie dem Drogenhandel, immer noch sehr schwierig lückenlos zu überwachen – ganz zu schweigen vom Darknet. Die chinesischen Experten waren sich deshalb einig, dass es unerlässlich ist, bei der Bekämpfung von Kinderpornografie international zu kooperieren.

 

 

Autor: Ole Engelhardt