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„Die Geschichte der Europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten“
Deutsch-Chinesische Konferenz mit der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft (CUPL)

Am 26. April 2022 organisierte die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) zusammen mit der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft (CUPL) einen online durchgeführten Austausch zum Thema „Die Geschichte der Europäischen Grundrechte und Grundfreiheiten“. Nach einem einführenden Vortrag von Prof. Dr. Christian Walter, gab Prof. Zhao Hong einige Einblicke in die Entwicklung in China, was in der Folge zu einer interessanten Diskussion über Ähnlichkeiten und Unterschiede in beiden Ländern führte.

Die Veranstaltung fügte sich in die langjährige und vertrauensvolle Kooperation der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) mit der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft (CUPL), die zudem eingebettet ist in den Deutsch-Chinesischen Rechtsstaatsdialog. Auf Einladung von Prof. Xie Libin, Dekan des Chinesisch-Deutschen Instituts für Rechtswissenschaft der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft (CUPL), tauschten sich Prof. Dr. Christian Walter, Lehrstuhl für Völkerrecht und Öffentliches Recht der LMU, und Prof. Zhao Hong, Professorin für Öffentliches Recht an der Law School der China Universität für Politik und Rechtswissenschaft, im Online-Format darüber aus, auf welche Weise sich Grundrechte und Grundfreiheiten in Europa und China im Lauf der jüngeren Geschichte entwickelt haben.

Prof. Dr. Walter beschreibt die Entwicklung in Europa

Europa: Lehren aus den Weltkriegen

In seinem Vortrag ging Prof. Walter zunächst auf den offensichtlichen historischen Kontext ein, der nach dem Zweiten Weltkrieg ab den späten 1940er Jahren zunächst zur Entwicklung von Institutionen zum Schutz der Menschen-, und später ab den 1960er Jahren dann Grundrechte in Europa führte.  

Mit der Schaffung der Vereinten Nationen nach dem Krieg wurde weltweit das Signal gesetzt, dass ein erneuter Krieg unbedingt vermieden werden muss. „Wir, die Völker der Vereinten Nationen fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die

Menschheit gebracht hat […]“, heißt es in der entsprechenden Charta. Kurz darauf wurde 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formuliert und mit der Genfer Flüchtlingskonvention (1951), der Rassendiskriminierungskonvention (1966), dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1979) folgten mit dem gesellschaftlichen Fortschritt weitere Vereinbarungen.

Prof. Zhao weist auf die Wichtigkeit starker Institutionen hin

Zusätzlich zu diesen globalen Bemühungen wurden auch in Europa, dem Hauptschauplatz der beiden Weltkriege, Anstrengungen in diese Richtung unternommen. So wurde auf dem „Haager Europa-Kongress“ im Mai 1948 in den Niederlanden der Europarat geschaffen, dem heute 46 Staaten (nach Russlands Ausschluss) mit 700 Millionen Bürgern angehören. Die Zeit sei gekommen, heißt es da, „in der die europäischen Nationen einen Teil ihrer Hoheitsrechte abtreten und zusammenlegen müssen, um ein gemeinsames politisches und wirtschaftliches Handeln für die Integration und angemessene Entwicklung ihrer gemeinsamen

Ressourcen“ zu sichern. Auch der Schutz und die Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten werde explizit erwähnt. Zu diesem Zweck wurde 1950 die „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten“ (EMRK) formuliert, für dessen Schutz ab 1959 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zuständig ist. In der Konvention werden explizit Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit gesichert, z.B. das Verbot von Folter und grausamer oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, das Recht auf persönliche Freiheit oder der Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz und Religions- und Gewissensfreiheit sowie Meinungs-, Informations-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Jeder kann mit der Behauptung, von einem dieser Staaten in einem Recht aus der Konvention verletzt worden zu sein, den EGMR anrufen – ein wichtiger Fortschritt im Vergleich zu den Anfangszeiten, als verabschiedete Menschenrechtsdokumente noch weitgehend ohne Rechtsbindung waren.

Ungefähr parallel zu diesen Bestrebungen wurde mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, 1957) auch die wirtschaftliche Integration in Europa vorangetrieben. Aufgabe der Gemeinschaft sei es, durch die Errichtung eines

Gemeinsamen Marktes und „die schrittweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft, eine beständige und ausgewogene Wirtschaftsausweitung, eine

größere Stabilität, eine beschleunigte Hebung der Lebenshaltung und engere Beziehungen zwischen den Staaten zu fördern, die in dieser Gemeinschaft zusammengeschlossen sind.” Dabei ging es vordergründing primär um Abschaffung von Zöllen und die Beseitigung von Hindernissen für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Dadurch wurde nicht direkt, aber durch indirekt ein Beitrag zu den Menschenrechten geleistet werden. Heutzutage sind alle 27 Mitglieder der Europäischen Union (EU) auch Vertragsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention und Mitglieder des Gerichtshofs, was widerspiegelt, dass Wirtschafts- und Werteinheit immer mehr zusammengedacht wird.

Anderer geschichtlicher Kontext in China

In ihrem Kommentar ging Prof. Zhao auf die Entwicklung in China ein, die natürlich nicht ganz so unmittelbar von den Erfahrungen der beiden Weltkriege geprägt war. Auch ist die regionale Integration in Ostasien mit Vereinigungen wie ASEAN zwar mittlerweile deutlich vorangeschritten, sie kann jedoch nicht auf eine so lange und intensive Geschichte zurückblicken wie Europa. Trotzdem ist China mittlerweile Mitglied etlicher Abkommen zum Schutz von allgemeinen Menschenrechten, bzw. spezieller Unterbereiche. In letzter Zeit ist in China vor allem die Gleichstellung von Mann und Frau ein wichtiges Thema. Auch hier ist China als Mitglied des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, CEDAW (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women), ist die internationalen Bemühungen integriert.

Prof. Zhao betonte überdies, wie wichtig die Schaffung starker und verlässlicher Institutionen für den Schutz der Rechte ist. Hier ist der Europäische Gerichtshof als Vorbild hervorzuheben, der sicherstellt, dass die Konventionen, auf die sich die Mitgliedsstaaten geeinigt haben, auch tatsächlich eingehalten werden, bzw. Verstöße geahndet werden können. Das ist nicht zuletzt durch das von Prof. Dr. Walter erwähnte 11. Zusatzprotokoll vom 1. November 1998 möglich. Dieses Protokoll gestaltete den Schutzmechanismus der EMRK grundlegend um, der Gerichtshof wurde in ein ständiges Gericht mit hauptberuflich tätigen Richtern umgewandelt. Die Individualbeschwerde wurde für alle Mitgliedsstaaten obligatorisch und ist nun unmittelbar an den Gerichtshof zu richten, der als einziges Organ zur Entscheidung über sie berufen ist. Eine solche Individualbeschwerde ermöglicht es Einzelpersonen und Personengruppen, ihre Rechte bei einem internationalen Gericht geltend zu mache, wenn der Rechtsweg auf nationaler Ebene ausgeschöpft wurde. In der anschließenden Diskussion mit Prof. Dr. Walter informierte sich Prof. Zhao detailliert über das Vorgehen in Fällen von Konflikten zwischen dem nationalen und dem europäischen Recht.

 

Autor: Ole Engelhardt